26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.10.20 / Zwischenruf / Geschichtsvergessen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40 vom 02. Oktober 2020

Zwischenruf
Geschichtsvergessen
Klaus Weigelt

Bereits seit dem 9. November vergangenen Jahres finden bundesweit Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit statt. Sie werden am 3. Oktober dieses Jahres in Potsdam beendet. Gefeiert wird die Vereinigung der DDR mit Westdeutschland im Jahre 1990 und damit die Befreiung von 17 Millionen Deutschen aus der Diktatur des SED-Unrechtsstaates. Das ist ein Anlass zu großer Freude.

Für einen Königsberger und Ostpreußen mischt sich in diese Freude ein Wermutstropfen. Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 wurde festgeschrieben, was für den Kenner bereits seit der Konferenz von Teheran 1943 Faktum war: die Abtretung des damaligen deutschen Staatsgebietes jenseits von Oder und Neiße an Polen und die Sowjetunion. 

Der Staat Preußen wurde von den Alliierten 1947 aufgelöst. Königsberger kommen also in der deutschen Einheit nicht mehr vor: Ihre Stadt liegt heute auf russischem Hoheitsgebiet.

Im Hinblick auf ihre eigene Heimat sehen viele Ostdeutsche das ebenso. Nicht wegen der territorialen Amputation des deutschen Staatsgebietes. Diese war nach allem, was das Deutsche Reich zwischen 1933 und 1945 angerichtet hatte, eine schmerzliche Folge. 

Was nicht akzeptiert werden kann, ist die aus Unkenntnis oder mangelndem Patriotismus hingenommene geistige, historische und kulturelle Amputation: Die in Jahrhunderten erbrachten Leistungen der Deutschen in Pommern, Ost- und Westpreußen, Ostbrandenburg und Schlesien werden zunehmend dem Vergessen anheimgegeben. 

Diese „Geschichtsvergessenheit“ wurde den Deutschen von niemandem aufgezwungen. Sie ist vielmehr die Folge der Tatsache, dass man sich nicht mehr ausreichend für die geistigen, historischen und kulturellen Leistungen des deutschen Ostens interessiert. Deswegen spielt dieses Thema bei den Einheitsfeierlichkeiten leider keine Rolle. 

Das größte Opfer, das für die Einheit erbracht wurde, wird ausgegrenzt: der Verzicht auf das zu Deutschland gehörende kulturelle Erbe des deutschen Ostens.

Es schmälert die Freude an der Einheit, und es würde die Freude an der Einheit vergrößern, wenn bei den Feiern auch der großen Leistungen gedacht würde, die über Jahrhunderte im Osten von und für Deutschland erbracht wurden und bis heute Bestand haben. 

Da geht es nicht nur um den aus Königsberg stammenden Weltweisen Immanuel Kant, sondern auch um die Lieder aus dem Dichterkreis um Simon Dach, wie „Macht hoch die Tür“ oder „Mit Ernst, o Menschenkinder“, die in der Advents- und Weihnachtszeit gesungen werden und die erstmals vor Jahrhunderten im Königsberger Dom erklungen sind. Und vieles andere mehr.

Aber ein Erinnern geschieht nicht.

Der Autor ist Präsident der Stiftung deutsche Kultur im östlichen Europa – OKR.