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02.10.20 / KLETTERTOUREN / Durch diese hohle Felsengasse muss man durch / Schwindelfrei sollte man an den Klettersteigen der Sächsischen Schweiz schon sein – Auch leichte Touren führen bis auf die Gipfel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40 vom 02. Oktober 2020

KLETTERTOUREN
Durch diese hohle Felsengasse muss man durch
Schwindelfrei sollte man an den Klettersteigen der Sächsischen Schweiz schon sein – Auch leichte Touren führen bis auf die Gipfel
Wolfgang Kaufmann

Um in der pittoresken Sandsteinwelt der Sächsischen Schweiz Abenteuer zu erleben, braucht man nicht unbedingt eine der mittlerweile rund 20.000 Kletterrouten in den Schwierigkeitsgraden Eins bis Zwölf zu durchsteigen. Nervenkitzel und Gipfelglück für Schwindelfreie versprechen auch die knapp 250 künstlich angelegten Steiganlagen zwischen Pirna und Hinterhermsdorf, welche teilweise schon von alters her existieren.

Die ersten, die vor 3000 Jahren Stufen und Griffe in den Fels schlugen oder primitive Holzleitern zur Erklimmung eines Berges in der Sächsischen Schweiz nutzten, waren die stein- und bronzezeitlichen Bewohner der Höhensiedlung auf dem Pfaffenstein. Später arbeitete sich dann vor allem Raubgesindel mit allerlei brachialen Hilfsmitteln auf exponierte Aussichtspunkte hoch, um die Beute im Tal schon von Weitem erspähen zu können. In Kriegszeiten wiederum flohen die Bauern mit ihrem Vieh in versteckte Klüfte des Gebirges, was die Errichtung weiterer Steiganlagen nötig machte. 

Eine davon, nämlich die heute hervorragend ausgebaute und viel frequentierte Heilige Stiege, diente zudem den Bauern von Schmilka im 16. Jahrhundert als Abkürzung beim ausgedehnten sonntäglichen Kirchgang nach Lichtenhain. 

Später kamen die ersten Touristen, die sofort erkannten, welche Möglichkeiten solche Wege boten: „So abschreckend aber auch dieser Anblick ist, so kann man doch auf einer Felsenstiege in diesen Abgrund hinunter kommen“, schrieb 1804 Magister Wilhelm Leberecht Götzinger, der zu den wichtigsten Erschließern der Sächsischen Schweiz zählt, über den Kostgensteig in der Breiten Kluft zwischen Schmilka und Postelwitz.

Heute gibt es keine Ecke in der Sandsteinwelt an der Elbe unweit der sächsischen Landeshauptstadt Dresden, in der nicht irgendeine ausgebaute Steiganlage auf ihre Begeher wartet – beginnend mit dem Burglehnpfad von Pirna-Copitz nach Mockethal und endend mit dem Gratweg auf das Große Pohlshorn unweit der tschechischen Grenze bei Hinterhermsdorf. Dabei kann der Wanderer, der sich einmal etwas mehr in der Vertikalen bewegen möchte, gefährliche und abenteuerliche Stiegen erklimmen oder einen eher genussvollen Klassiker wählen. Gerade an Letzteren besteht glücklicherweise kein Mangel.

Der Steig Augusts des Starken

Besonders hervorzuheben wären in diesem Zusammenhang der Steig durch die Schwedenlöcher, der einen spannenden Abstieg von der Bastei über der Elbe bei Rathen ermöglicht, die steile Wolfsschlucht am Hockstein gegenüber der Burg Hohnstein, der Wildschützensteig, der zur atemberaubenden Schrammstein-Aussicht hinaufführt, die superschmale Himmelsleiter am Kuhstall, der abwechslungsreiche Kammweg über den Rauen­stein, das für Adipöse kaum passierbare Nadelöhr am Pfaffenstein, idealster Zugang zur Barbarine, dem Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz, die Felsengasse an den malerischen Herkulessäulen im Bielatal sowie der Südaufstieg auf den hoch aufragenden Lilienstein, welcher 1708 im Auftrag des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken entstand und auch von diesem höchstpersönlich begangen wurde.

Wem solcherart Stiegen, die im Prinzip fast jeder hinaufkommt, zu harmlos sind, der kann sich auch größeren Herausforderungen widmen, ohne dabei aber schon Seil und Kletterschuhe zu benötigen. Allerdings sollte er eine gute Portion Trittsicherheit, Kondition und Nervenstärke mitbringen, wobei die Letztere auch dann gefragt ist, wenn sich am Wochenende etliche Ausflügler auf den Steiganlagen tummeln und alle nur noch im Schneckentempo vorankommen, weil irgendjemand „ein klein wenig“ fotografieren will oder gerade feststellen musste, dass es mit seiner Schwindelfreiheit doch nicht so weit her ist. 

Erlebnisse dieser Art bieten unter anderem Rübezahlstiege, Domtreppe, Zwillingsstiege, Wilde Hölle, Starke Stiege und der Aufstieg auf den Winterstein mit seiner völlig freistehenden, senkrechten Leiter sowie die extrem ausgesetzte Rahmhanke durch die Wände unterhalb der Bastei oder das nicht weniger luftige Obere Band über dem Schmilkaer Felskessel. Als Nonplusultra gilt freilich die Häntzschelstiege, welche vom Bauerloch auf das Lange Horn in den Affensteinen führt und zwischen 1959 und 1970 gegen den Widerstand der DDR-Behörden angelegt wurde. Dieser beeindruckende Aufstieg wurde im Corona-Sommer 2020 von hierzulande Urlaub machenden Kletterern regelrecht überrannt, was zu einem Dauerstau führte.

Widerstand durch Kletterwanderer 

Ist das Gequirle und Gequengel rund um die genannten Steiganlagen zu groß, kann der Gebietskundige einsamere Alternativen ansteuern. Auf den Leitern und Treppen am Lampertsstein, Katzstein, Pfostenhorn, Bernhardstein und Spanghorn trifft man meist keinen Menschen. Leider sind aber viele Stiegen in den weniger frequentierten Gebieten verfallen oder dürfen aus Naturschutzgründen nicht mehr begangen werden, so wie Vogeltelle, Ra­thensteig, Auerhahnsteig, Adlerloch und Kerbensteig. 

Für die einen reihen sich diese Sperrungen in die Reihe der Maßnahmen ein, mit denen Kletterwanderer sukzessive aus der Natur herausgeschützt werden sollen. Deswegen üben sie Widerstand, indem sie sich heimlich auf den Weg machen, wenn keine Aufpasser der Nationalparkwacht in der Nähe sind. 

Andere betrachten die Verbote als gerechtfertigt und meiden die gesperrten Steiganlagen mehr oder weniger schweren Herzens. Dabei verpasst der Wanderer in vielen Fällen auch definitiv nichts, wenn er darauf verzichtet, sich an verrosteten, scharfkantigen Leiterresten oder bemoosten morschen Holzbalken nach oben zu quälen. Zumal dann außerdem meist noch die Aussicht am Ziel zu wünschen übrig lässt. 

Dies kann Touristen allerdings auch bei einigen legalen Aufstiegen passieren wie zum Beispiel dem auf die „Kleine Bastei“ über Krippen. Da wäre dann doch die echte Bastei die bessere Alternative 

– selbst wenn dort hunderte Selfiesüchtige in wilden Verrenkungen verharren. 


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