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02.10.20 / Ende der DDR / 30 Jahre Deutsche Vereinigung / Was blieb vom Widerstand gegen das DDR-Regime, wie erlebten Menschen hüben wie drüben den Mauerfall, welche Sehnsüchte und Hoffnungen bewegten sie?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40 vom 02. Oktober 2020

Ende der DDR
30 Jahre Deutsche Vereinigung
Was blieb vom Widerstand gegen das DDR-Regime, wie erlebten Menschen hüben wie drüben den Mauerfall, welche Sehnsüchte und Hoffnungen bewegten sie?
Manuela Rosenthal-Kappi

Ihrem 11. Gebot „Du sollst dich erinnern“ folgend, hat die Mitbegründerin der DDR-Friedensbewegung Freya Klier 19 Autoren unterschiedlichen Alters dazu gebracht, sich folgenden Fragen zu stellen: „Wie lange halten sich Verhaltensmuster einer Diktatur nach deren Zusammenbruch? Welche Erinnerungen gibt es? Und könnte es sein, dass an den Prägungen der Diktatur, auch den eigenen Lebenslügen, selbst 30 Jahre Demokratie nicht zu rütteln vermögen?“

Zu den Autoren zählen Mitstreiter der bekannten Autorin, Schauspielerin, Theaterregisseurin und Dokumentarfilmerin von damals wie der Liedermacher und Buchautor Stephan Krawczyk, die alle von der Stasi als „Störenfriede“ bespitzelt und verfolgt wurden, aber auch Politiker wie Wolfgang Thierse und Norbert Lammert oder auch Künstler wie Reiner Kunze. Sie alle schildern aus verschiedenen Perspektiven, wie sie die DDR, die aufregende Zeit der sogenannten Wende und den Neubeginn nach der Teil-Wiedervereinigung erlebt haben.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten, überschrieben mit „Das Ausatmen beginnt“, geht es noch um eine getrennte Welt, in der sich – vom Westen aus neugierig beobachtet – Widerstandsgruppen im Osten bilden. Der „Wessi“ Jörg Bernhard Bilke, aufgewachsen an der Zonengrenze nahe Thüringen, berichtet, wie er, der stets von dem geheimnisvollen Teil Deutschlands, zu dem er in seiner Kindheit nur sehnsüchtig hinüberblicken konnte, fasziniert war. Wegen DDR-kritischer Artikel wurde er später auf der Leipziger Buchmesse verhaftet. Die mitteldeutsche Journalistin Heidi Bohley erzählt, wie sich plötzlich Widerstandsgruppen bildeten, etwa „Frauen für den Frieden“, deren Gründerin sie war.

Der zweite Teil „Erstes Kennenlernen“ behandelt die Zeit nach dem 3. Oktober 1990. Herbert Wagner, von 1989 bis 1990 Sprecher der oppositionellen „Gruppe der 20“ und von 1990 bis 2001 Oberbürgermeister von Dresden, schildert, dass schon am Vorabend des 3. Oktobers 1990 vereinzelt Feuerwerkskörper vor dem Dresdner Rathaus gezündet wurden und Sektkorken flogen, aber auch davon, welche schwierigen Aufgaben vor ihm lagen, zu einer Zeit, da die „Wende“ zwar vollzogen war, die furchteinflößenden Apparatschiks der Stasi aber noch aktiv waren. 

„Die Teilung überwinden heißt teilen lernen“ ist der dritte Teil des Buchs betitelt, in dem es unter anderem um die Frage geht, inwieweit die Teilung in den Köpfen überwunden ist.

Bei Katharina Oguntorpe, einer afrodeutschen Historikerin, deren Vater aus Nigeria und deren Mutter aus dem Sudetenland stammt, und die nach einigen Jahren in Afrika, der DDR und in Westdeutschland verschiedene Kulturen kennengelernt hat, löste die Grenzöffnung widersprüchliche Emotionen zwischen Euphorie und skeptischem Nachdenken aus. 

Friedhelm Schülke, dem in der DDR wegen seiner Kirchenzugehörigkeit eine höhere Bildung verwehrt wurde, ist seit 1993 bis heute Mitarbeiter eines Reisedienstes mit Spezialisierung auf Reisen in die deutschen Vertreibungsgebiete. Unmittelbar nach Öffnung der Grenze betrieb er gemeinsam mit dem Ehepaar Schukat aus Anklam einen Großhandel. Die Partner reisten häufig zum Einkauf in den Westen. Auf einer CDU-Veranstaltung lernten sie den damaligen Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen (LO), Otfried Hennig, kennen und somit auch das Ostpreußenblatt. Manfred Schukat, der aus dem Kreis Gumbinnen stammt, fand eine Verwandte in Lübeck wieder. Mit den Jahren wurde der Kontakt zur LO und deren Organisationen enger, sodass Schukat und Schülke seit Jahren in Mecklenburg-Vorpommern Landestreffen organisieren, bei denen Vertriebene und deren Angehörige, aber auch Russen und Polen, zusammenkommen. Es sind Gegensätze überwindende Treffen, die in der DDR nicht möglich waren.

Kliers Sammelband gibt Aufschluss über die unterschiedlichen persönlichen Erlebnisse und Herangehensweisen von Menschen, die sowohl politisch als auch privat unterschiedlichen Spektren angehören.

Freya Klier (Hg.): „Wir sind ein Volk! Oder? Die Deutschen und die deutsche Einheit“, Herder Verlag, Freiburg 2020, gebunden, 220 Seiten, 20 Euro