27.04.2024

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02.10.20 / Für Sie gelesen / Exil-Russen gegen Sowjets

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40 vom 02. Oktober 2020

Für Sie gelesen
Exil-Russen gegen Sowjets
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Laut Anastasia Surkovs Buch „Flug-blätter gegen Unmenschlichkeit“ fanden DDR-Kinder ab 1951 in der Nähe sowjetischer Truppenübungsplätze oft bunte Zettel mit fremdartigen Buchstaben. Wie sich herausstellte, bekämpften vom Westen aus russische Emigranten-Organisationen das Sowjetregime auf diese Weise. Schließlich umfasste die Sammlung 292 verschiedene Flugblätter, von denen manche von deutschen Widerstandsgruppen in West-Berlin kamen. 

Hauptinhalt des Buchs ist die Darstellung dieser russisch-antisowjetischen Untergrundbewegungen. Einmal war es „ZOPE“, der „Zentralverband der Nachkriegsemigranten aus der UdSSR“, welcher zwischen 1952 und 1960 mit Millionen Flugblättern intensive Aufklärung in der Sowjetarmee der DDR betrieb. Er behauptete, deren Soldaten seien nicht länger Beschützer der Heimat, sondern zu Henkern der Arbeiter und Bauern eines fremden Landes geworden, die sich lediglich von dem auch ihnen verhassten System befreien wollten: „Der Bruch mit dem sowjetischen Regime ist kein Verrat, sondern Dienst fürs Vaterland!“ 

Aktiver noch war „NTS“, der „Nationale Bund des Schaffens – Russische Solidaristen“, der schon 1930 gegründet worden war und ebenfalls unter der Parole „Tod den Tyrannen! Freiheit den Schaffenden!“ sein Ziel im Sturz des Sowjetregimes sah. Stets riefen seine Flugblätter zur Bildung von Widerstandsgruppen von drei Vertrauten auf, gaben Anweisungen zur Herstellung eigener Mitteilungen und nannten die Empfangszeiten des NTS-Senders „Freies Russland“. 

Ebenfalls gab NTS Broschüren und die Zeitung „posev“ („Aussaat“) heraus, bei denen er zur Tarnung oft das Deckblatt sowjetischer Publikationen benutzte. Von 1951 bis 1957 verbrachte er über 97 Millionen Flugblätter, zirka sieben Millionen Zeitungen und 930.000 Broschüren bis in die Sowjetunion. Zumeist erfolgte dies mit Hilfe riesengroßer Luftballons, deren Last dann über einer in etwa bestimmbaren Gegend buchstäblich vom Himmel fiel. Eine andere Methode war das Einschleusen durch sowjetische Schiffe, die in westlichen Häfen anlegten. Schon 1960 ging Leonid Chruschtschow auf dem XXI. Parteitag minutenlang auf diese Flugblätter und ihr Einschmuggeln in die UdSSR ein – ein Beweis, dass die NTS-Widerstandsarbeit nicht länger der russischen Öffentlichkeit verschwiegen werden konnte. Der KGB bekämpfte die Organisation in Westdeutschland dann mit Mordanschlägen und Entführungen. Ein Sabotage-Sonderkommando zerstörte – kurzfristig – den NTS-Sender bei Frankfurt.

Als sehr interessant wird der Leser des Buches die Abbildung etlicher solcher Flugblätter mit beigefügter deutscher Übersetzung empfinden. Sind sie doch eindrucksvolle Zeitdokumente aus jener Zeit des Kalten Krieges, die in dieser Form bisher noch nicht veröffentlicht wurden. 

Anastasia Surkov: „Flugblätter gegen Unmenschlichkeit. Die Sammlung Friedrich Uhlemann und die deutsche Nachkriegsgeschichte“; Neisse-Verlag, Dresden 2020, broschiert, 120 Seiten,9,90 Euro