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02.10.20 / Der Wochenrückblick / Selbstkritik / Wie „Comedians“ vor ihrer Vergangenheit weglaufen, und wo der Zeitgeist eisern verteidigt wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40 vom 02. Oktober 2020

Der Wochenrückblick
Selbstkritik
Wie „Comedians“ vor ihrer Vergangenheit weglaufen, und wo der Zeitgeist eisern verteidigt wird
Hans Heckel

Wolfgang Leonhard (1921–2014) musste mit seiner kommunistischen Mutter vor den Nationalsozialisten fliehen und landete über Umwege 1935 in der Sowjetunion, wo im Jahr darauf Stalins „Große Säuberung“ losbrach. In seinem Bestseller „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ beschreibt er den Terror, vor dem niemand sicher war.

Das Schicksal konnte jeden treffen, ganz egal, wie er sich verhielt, so Leonhard. Wer Kritik äußerte, war sowieso weg. Wer gar nichts sagte, machte sich verdächtig. Und selbst, wer sich in penetranten Lobeshymnen über den großen Führer Stalin erging, konnte auf der schwarzen Liste landen, weil er mit seinen Elogen womöglich bloß seine wahre, ketzerische Gesinnung verbergen wollte.

Für die betont Linientreuen ergab sich noch ein besonders heikles Problem: Diese „Linie“ konnte sich bisweilen blitzschnell ändern. Wem heute noch die überholten Parteiparolen von gestern rausrutschte, oder wer auch nur mit ihnen identifiziert wurde, musste mit dem Schlimmsten rechnen.

Wenn gar nichts mehr half, hieß der letzte Strohhalm „Selbstkritik“. Der Angeklagte bereute öffentlich seine Fehler und gelobte mit gesenktem Blick Besserung.

Die Zeiten ändern sich, aber die guten alten Sitten und Verhaltensmuster bleiben uns glücklicherweise erhalten. Derzeit strampeln sich allerhand „Comedians“ ab, um ihren gealterten Kopf aus der frischen Schlinge zu ziehen. Sie haben früher nämlich Witze über Sachen erzählt, über die zu lachen heute streng verboten ist.  

Den Anfang machte Anke Engelke, die sich für ihre dunkelhäutige Rolle „Ricky“ entschuldigte, die sie in der Sat1-„Wochenshow“ während der 90er Jahre spielte. Sie sei heute „traurig“ über sich, dass sie damals nicht gesehen habe, „dass das nicht in Ordnung ist“. Auch Bernhard Hoëcker und Kaya Yanar leisten Abbitte für ihre Fehltritte. Hoëcker hatte den schwarzen Rapper 50 Cent gemimt und auch Yanar ließ sein Gesicht dunkel tönen, weil er das witzig fand. Im eisigen Wind von „Black Lives Matter“ haben die beiden nun kalte Füße bekommen. 

Das tut ihnen jetzt alles furchtbar leid, den Armen. Yanar möchte dem Tribunal aber dennoch irgendwie entwischen und hat auch schon einen Schleichweg gefunden. Er finde diese „ganze Diskussion großartig. Die zwingt uns Komiker dazu, zu reflektieren“, schleimt Yanar sich zunächst bei den Moralrichtern der aktuellen Zeitgeist-Linie ein, um sich dann mit einem schweinchenschlauen Trick in die Büsche zu schlagen: „Es ist natürlich einfach, eine einzelne Person anzugreifen, aber eigentlich müsste man den ganzen Zeitgeist, der damals herrschte, angreifen, was natürlich viel schwieriger ist.“ 

Soll heißen: Man war sozusagen in seiner Zeit und ihrem Ungeist gefangen und konnte irgendwie gar nicht anders als mitmachen. Denn das war damals halt so, und das haben doch alle so getrieben, oder? 

Haben Sie diesen Tenor schon mal irgendwo gehört? Sicher haben Sie das, es ist die Melodie aller aufgeflogenen Opportunisten dieser Welt, egal wann, egal wo.

Es heißt, wer sich mit dem Zeitgeist liiert, wird früh verwitwet sein. Stimmt: Es sind die Mitläufer der verflossenen „Spaßgesellschaft“ der 1990er und 2000er Jahre, die da durch den Wald taumeln und schreckliche Angst spüren, dass die Öffentlichkeit sie verbannen und alleinlassen könnte wegen ihrer Verbindung mit dem Zeitgeist von gestern. 

Heute würde Engelke, wie sie sagt, diese Rollen anders angehen, immer prüfen, ob Menschen betroffen seien, die struktureller Ausgrenzung oder Rassismus ausgesetzt seien: „Ich finde es gut, dass wir heute ein anderes Bewusstsein haben“, so die gesäuberte Komödiantin. Hört sich an wie aus der Zusammenfassung eines Sozialkundetexts. Der Humor, der aus solchen Verrenkungen sprießt, dürfte in etwa so frisch und unbeschwert daherkommen wie eine Tonne Blei. Die verschwitzte Absicht, nur ja nicht den aktuell vorgegebenen Zeitgeist zu reizen (der sich zu seinen Lebzeiten übrigens selten „Zeitgeist“ nennt, sondern lieber „Bewusstsein“), wird aus jeder Sendung tropfen. 

Doch immerhin retten sich die Besagten damit auf die sichere Seite. Da kann ihnen nichts passieren. Oder etwa doch?

Nun, was geschieht, wenn sich dieser Zeitgeist auch wieder ändert? Wenn plötzlich Freiheit und (wirklich) freches Mundwerk wieder gefragt sind und Duckmäuserei und Beflissenheit als Charakterschwäche enttarnt werden? Das könnte spannend werden, wenn Hoëcker und Co. die nächste Wende vollziehen. Sie müssten in dem Fall wohl wieder Kaya Yanar an die Front schicken, der dann Sachen sagt wie: „Es ist natürlich einfach, eine einzelne Person anzugreifen, aber eigentlich müsste man den ganzen Zeitgeist, der damals, Anfang der 2020er Jahre, herrschte, angreifen, was natürlich viel schwieriger ist.“

Doch das kann noch dauern. Der heute herrschende Zeitgeist wird eisern verteidigt, was auch an den steigenden Verteidigungsausgaben abzulesen ist. Der rot-rot-grüne Berliner Senat will knapp fünf Millionen Euro zur Verfügung stellen, um linksdrehende Vereine und Initiativen zu päppeln. Als Corona-Hilfe wird der warme Regen bloß getarnt. Denn nicht alle durch die Pandemie-Maßnahmen in Gedränge gekommenen Vereine sollen von dem Geld etwas abbekommen, sondern nur solche, die sich „zu einer vielfältigen Gesellschaft bekennen und sich gegen Diskriminierung, Gewalt, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stellen“.

Wer seinen Antisemitismus fest genug in „Israelkritik“ oder „Antiimperialismus“ einwickelt, darf natürlich trotzdem hoffen. Und Gewalt gegen „Rechte“ oder gegen Polizisten ist selbstverständlich keine Gewalt, sondern „Widerstand“. So wie Rassismus, der sich gegen Weiße oder gar Deutsche richtet, eben auch kein Rassismus sein kann. Es reicht demnach, links zu sein, um an die Schlemmertöpfe der öffentlichen Hand zu gelangen.

Dass das Land Berlin den vielen Zaster bloß „zur Verfügung stellt“, ist übrigens keine graue Verwaltungsfloskel. Bezahlen müssen die Sause nämlich vor allem die Bayern, die, gefolgt von den Baden-Württembergern, Hessen und Hamburgern, als Bürger der sogenannten Geberländer mit ihren Steuergeldern den Länderfinanzausgleich aufbringen müssen, aus dem Berlin als Hauptnehmerland den Löwenanteil herauszieht.

Ein wunderbares System, das dem wahren Sozialismus endlich eine Chance gibt. Einem Sozialismus, der sich keine Sorgen mehr darüber zu machen braucht, dass er die Wirtschaft an die Wand fährt und damit seine eigene Grundlage zerstört. Denn für diese Grundlage sorgen ja ganz andere. Wie schön, dass Olaf Scholz dieses System nun mit voller Wucht auf die gesamte EU ausdehnen will.

Erst, wenn auch den geplünderten Gebern das Geld ausgeht, kracht das Gebäude zusammen. Macht aber nichts. Danach wartet man halt zwei oder drei Jahrzehnte und startet den nächsten Sozialismus-Anlauf. Dann nämlich ist, wie heute, der Totalschaden des letzten Versuchs längst vergessen.