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09.10.20 / Gedenken / „Dem Senat absolut gleichgültig“ / Berlin und die Heimatvertriebenen: Anfrage macht eine erschreckende Kälte sichtbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41 vom 09. Oktober 2020

Gedenken
„Dem Senat absolut gleichgültig“
Berlin und die Heimatvertriebenen: Anfrage macht eine erschreckende Kälte sichtbar
Norman Hanert

Zum Teil mit Herzblut, zum Teil auch aus wahltaktischen Erwägungen, haben sich Politiker aller Couleurs in den vergangenen Jahrzehnten für die Belange der Heimatvertriebenen eingesetzt. Berlins derzeitiger rot-rot-grüner Senat hat dagegen offenbar nicht einmal die Absicht, sein Desinteresse zu verbergen. Dieser Eindruck drängt sich zumindest bei den Antworten auf, die von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales auf eine parlamentarische Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus geliefert wurden.

Mitte September hatte der Abgeordnete Martin Trefzer (AfD) dem Senat eine Reihe von Fragen zum Thema „Berlin und die Heimatvertriebenen“ gestellt. Der studierte Historiker wollte unter anderem wissen, wie viele deutsche Heimatvertriebene nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin eine neue Heimat gefunden haben und aus welchen Gebieten sie gekommen sind. Die Senatsverwaltung lieferte als Antwort:

„Geschätzt kamen die Heimatvertriebenen zu 95 Prozent aus Polen, ansonsten vorwiegend aus Rumänien, Estland, Lettland oder Litauen. Weitere Zahlen liegen nicht vor.  Das  Landesamt für Gesundheit und  Soziales (LAGeSo) erhebt selbst keine statistischen Angaben und wertet auch keine Fremdstatistiken aus.“

„Herkunftsland Polen“?

In der Antwort fehlt jeder Hinweis auf die Tatsache, das die Herkunftsgebiete zum Zeitpunkt von Flucht und Vertreibung ganz überwiegend deutsch, nicht polnisch waren. Auch die vertriebenen Sudetendeutschen fehlen völlig, ebenso die Spätaussiedler. Folgt man der Logik des Senats, müsste mit Blick auf die Vertriebenen aus dem nördlichen Ostpreußen zudem eigentlich auch die Sowjetunion oder Russland als Herkunftsland genannt werden.

Bemerkenswert sind ebenso die weiteren Auskünfte des Senats: Wie aus der Antwort der Landesregierung hervorgeht, ist im Rahmenlehrplan 1-10 für Berlin und Brandenburg und im Rahmenlehrplan für die gymnasiale Oberstufe „die Geschichte  der deutschen Heimatvertriebenen nicht explizit vorgesehen“. Aufgegriffen werden kann das Thema nach Senatsangaben „aber im Zusammenhang mit der Behandlung  der verheerenden Folgen der nationalsozialistischen Ideologie für Deutschland und Europa“ oder auch „im Kontext  der Verständigung und Aussöhnung der Bundesrepublik Deutschland mit Polen und Tschechien vor und nach 1989“.

Nach Angaben der Senatsverwaltung ist die Geschichte der Heimatvertriebenen auch „kein Schwerpunkt in der Arbeit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung“. Sie „spielt aber bei Publikationen und Veranstaltungen zu Fragen der Nachkriegszeit eine Rolle“.

Ebenso aufschlussreich sind die Zahlen, die der rot-rot-grüne Senat zur finanziellen Unterstützung der Vereine der Heimatvertriebenen nennt. Im Rahmen der Förderung  des Bundesvertriebenengesetzes erhält in diesem Jahr beispielsweise die Sudetendeutsche Gesellschaft e. V. eine Förderung von 2480 Euro. Dem Berliner Landesverband der Vertriebenen e. V. wurden aus dem Landeshaushalt für sein Projekt „Miteinander“ immerhin 73.500 Euro bewilligt. Zum Vergleich: Eine „Initiative für postkoloniales Erinnern in der Stadt“ sind Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) und der Bundeskulturstiftung über einen Zeitraum von fünf Jahren eine Förderung von über drei Millionen Euro wert. Wie aus der parlamentarischen Anfrage hervorgeht, macht Berlin auch keinen Gebrauch von der Möglichkeit, die Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen als Pate zu unterstützen. Fünf Bundesländer und viele deutsche Kommunen nutzen diesen Weg, um ein Zeichen der Solidarität mit den Heimatvertriebenen zu setzen. 

Die entsprechende Nachfrage beantwortete der Berliner Senat: „Zur genannten Stiftung und der Patenschaft liegen  hier keinerlei Erkenntnisse vor. Weder das Land Berlin noch die Bezirke haben von der Möglichkeit, Pate zu werden, Gebrauch gemacht.“ Insgesamt bewertete der Abgeordnete Trefzer die gelieferten Antworten als „ein Armutszeugnis für den Senat und die gesamte, sich sonst so weltoffen gebende Stadtgesellschaft“. Zur PAZ sagte der wissenschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion: „Die Antworten des Senats machen keinen Hehl daraus, dass dem Senat die deutschen Heimatvertriebenen und deren Nachkommen absolut gleichgültig sind. Man weiß nichts über sie und man will nichts mit ihnen zu tun haben.“

Den Anstoß, eine Anfrage zum Thema „Berlin und die Heimatvertriebenen“ zu stellen, hatte Trefzer das Verhalten der Landesregierung am 5. August 2020, dem 70. Jahrestag der Unterzeichnung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, geliefert. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte eine bundesweite Beflaggung der obersten Bundesbehörden angeordnet. Auch Länder wie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern würdigten den Jubiläumstag mit Flaggenschmuck. Berlin und Brandenburg verzichteten auf eine Beflaggung. 

(Siehe Kommentar Seite 8)