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09.10.20 / „Remonstration“ / Beamte stellen sich gegen Grünen-Politiker / In der Hauptstadt häufen sich Fälle, in denen Staatsdiener die Anordnungen der Politik zurückweisen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41 vom 09. Oktober 2020

„Remonstration“
Beamte stellen sich gegen Grünen-Politiker
In der Hauptstadt häufen sich Fälle, in denen Staatsdiener die Anordnungen der Politik zurückweisen

Der Streit, ob trotz eines Berliner Gesetzes zur staatlichen Neutralität muslimische Rechtsreferendarinnen den Staat mit Kopftuch vor Gericht vertreten dürfen, geht in eine neue Runde. Anfang August hatte der Kammergerichtspräsident, der für die Ausbildung in der Justiz zuständig ist, eine Kopftucherlaubnis für Referendarinnen erteilt. Laut der Neuregelung sollen Referendarinnen bei der Staatsanwaltschaft mit Kopftuch das volle Geschäft des Anklagens erledigen können, allerdings ohne Robe und nur in Begleitung eines Ausbilders. 

Damit soll klar erkennbar werden, dass die kopftuchtragende Juristin noch ausgebildet wird, während „die hoheitlichen Kernbefugnisse zu jeder Zeit dem staatsanwaltschaftlichen Ausbilder zustehen“. Der SPD-Rechtsexperte Sven Kohlmeier warf nach der Neuregelung dem Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) Alleingänge der Justizverwaltung, Respektlosigkeit und den Bruch von Verabredungen im Senat vor. 

Nun hat der Hauptrichter- und Staatsanwaltsrat ein weiteres deutliches Zeichen gesetzt: In einem Schreiben legte die Personalvertretung dem von ihm vertretenen Justizpersonal eine Remonstration nahe. Gemeint ist damit das Recht, und auch die Dienstpflicht von Beamten, gegenüber ihren unmittelbaren Vorgesetzten Einwand zu erheben, wenn sie Bedenken haben, ob dienstliche Anordnungen rechtmäßig sind. Zur Begründung für seine Empfehlung führte der Hauptrichter- und Staatsanwaltsrat seine Einschätzung an, dass er die jüngste Regelung zum Kopftuch für verfassungswidrig hält.

Wie kürzlich bekannt wurde, hat im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein leitender Beamter der Bauaufsicht bereits im August 2017 tatsächlich vom Recht und der Pflicht zu remonstrieren, Gebrauch gemacht. Anlass war laut Recherchen des ARD-Magazins „Kontraste“ und des „Tagesspiegel“ eine Anweisung des Baustadtrats zum Umgang mit dem Hausprojekt Rigaer Straße 94. Das teilbesetzte Haus ist ein wichtiges Symbol der linksextremen Szene.

Stadtrat in Erklärungsnot

Bereits im Februar 2016 hatte der Leiter der Polizeidirektion 5 die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) schriftlich informiert, dass in der Rigaer Straße 94 Brandschutzmängel vorlägen und Umbauten den Zutritt für Rettungskräfte erschwerten und Rettungseinsätze möglicherweise sogar unmöglich seien. Die Bewohner hatten Türen umgebaut, in einem Seitenflügel fehlten teilweise Treppengeländer oder Treppenstufen. Der Streit zwischen den Beamten der Bauaufsicht, die ein Einschreiten wegen der Brandschutzmängel für unabdingbar hielten, und dem grünen Baustadtrat zog sich laut den Recherchen über Jahre hin. 

Bei einer polizeilichen Durchsuchung der „Rigaer 94“ stellte ein Mitarbeiter der Bauaufsicht auch noch im November 2018 Brandschutzmängel fest und drängte, ein ordnungsrechtliches Verfahren zu eröffnen. Stadtrat Florian Schmidt sieht sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, aus politischen Erwägungen das Drängen der Bauaufsicht jahrelang ausgebremst zu haben. Die Senatsinnenverwaltung prüft mittlerweile, ob der Umgang des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg im Fall der Rigaer Straße 94 rechtmäßig war.  N.H.