26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.10.20 / Königsberger Gebiet / Kriegsbeute im Handstreich annektiert / Vor 75 Jahren wurde die heutige Exklave der Russischen Föderation entgegen Geist und Buchstaben des Protokolls der Potsdamer Konferenz formell angeschlossen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41 vom 09. Oktober 2020

Königsberger Gebiet
Kriegsbeute im Handstreich annektiert
Vor 75 Jahren wurde die heutige Exklave der Russischen Föderation entgegen Geist und Buchstaben des Protokolls der Potsdamer Konferenz formell angeschlossen
Wolfgang Kaufmann

Bereits vor dem für ihn erfolgreichen Ende des Zweiten Weltkrieges plante der sowjetische Diktator Josef Stalin die Teilung der Reichsexklave Ostpreußen zwischen Polen und seiner Sowjetunion. Im Zuge der Verhandlungen über den Vertrag zwischen den Regierungen Großbritanniens und der UdSSR über ein Bündnis im Krieg gegen Deutschland und dessen Verbündete in Europa sowie über Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung in der Nachkriegszeit vom 26. Mai 1942 schlug Stalin vor, eine entsprechende Teilung in einem Geheimprotokoll zu regeln. Analog zur vorausgegangenen Teilung Polens im geheimen Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag von 1939. 

Mal schlug die Sowjetunion eine Teilung an der Memel vor, wobei die Sowjetunion allerdings zusätzlich zum Memelgebiet Tilsit erhalten sollte, mal lautete der Vorschlag, dass der nördliche Teil Ostpreußens einschließlich der Provinzhauptstadt Königsberg für 20 Jahre als Pfand für künftig anfallende Kriegsentschädigungen vonseiten Deutschlands an die UdSSR gehen solle. Allerdings blieb dieser Punkt in dem endgültigen Vertragswerk unerwähnt. 

Annexion bereits früh geplant

Eine grundsätzliche Einigung über die spätere Abtrennung Ostpreußens von Deutschland wurde dahingegen im Verlaufe der Moskauer Konferenz der alliierten Außenminister vom Herbst 1943 erzielt. Während der Konferenz der „Großen Drei“ von Teheran wenige Wochen später begründete Stalin seine Ansprüche auf den Norden Ostpreußens am 1. Dezember 1943 damit, dass die Russen keine eisfreien Ostseehäfen hätten und deshalb die eisfreien Häfen von Königsberg und Memel samt einem entsprechenden Teil des Territoriums von Ostpreußen bräuchten. Zumal es sich hierbei historisch um urslawische Länder handele, wie er fälschlich behauptete. Auf der Potsdamer Konferenz vom Juli/August 1945 kamen die „Großen Drei“ überein, dass das nördliche Ostpreußen unter die vorläufige Verwaltung der Sowjetunion komme, bis ein Friedensvertrag abschließende Regelungen treffe. Daraufhin verhandelten der sowjetischen Außenkommissar Wjatscheslaw Molotow und der Ministerpräsident der Provisorischen Regierung Polens, Edward Osóbka-Morawski, über den künftigen Grenzverlauf zwischen dem der UdSSR zufallenden Teil Ostpreußens und der südlichen Hälfte, die an Polen gehen sollte. Die entsprechende Einigung datiert auf den 16. August 1945. 

Der von Stalin beanspruchte Norden Ostpreußens wurde noch einmal geteilt. Das Memelgebiet wurde der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik zugeschlagen und der Rest im Juli 1945 zum Militärischen Sonderbezirk Königsberg erklärt. Dem folgte vor 75 Jahren, am 17. Oktober 1945, die formelle Annexion, die gegen Geist und Buchstaben des Protokolls der Potsdamer Konferenz verstieß. Das hinderte Stalin jedoch nicht daran, am 7. April 1946 das Gebiet durch einen Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR als „Kenigsbergskaja Oblast“ in den Verband der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) eingliedern zu lassen. 

Am 4. Juli 1946 wurde Königsberg in „Kaliningrad“ und analog dazu die Oblast Königsberg in „Oblast Kaliningrad“ umbenannt. Die Umbenennungen geschahen zu Ehren des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets Michail Kalinin, der am 3. des Vormonats im Amt des Staatschefs gestorben war. Weitere Umbenennungen folgten. Im Zuge der Russifizierung erhielten auch die anderen der 2520 Ortschaften im Königsberger Gebiet, die unter sowjetischer Herrschaft erhalten blieben und nicht wie die 2280 übrigen deutschen Siedlungen für immer von der Landkarte verschwanden, einen neuen Namen. Die russischen Bezeichnungen hatten in der Regel keinen Bezug mehr zu den althergebrachten. Beispielsweise wurde aus Cranz „Selenogradsk“ (grüne Stadt), oder aus Preußisch Eylau „Bagrationowsk“, abgeleitet vom Namen des russischen Feldherrn Pjotr Bagration.

Autochthone weitgehend vertrieben

Den russischen Namen folgten russische Menschen. Im August 1946 begann auf Anordnung Moskaus eine großangelegte Umsiedlung von Russen aus Zentralrussland, dem mittleren Schwarzerdegebiet und dem Wolga-Wjatka-Gebiet. Auch Angehörige anderer Sowjetvölker, so Weißrussen und Ukrainer, zogen in das Gebiet. Bis Anfang 1948 waren es zusammen bereits 380.200 Personen – viele davon kamen zwangsweise. 

Der Neuansiedlung von Menschen aus dem Osten stand die Vertreibung der autochthonen Bevölkerung gegenüber. Am 11. Oktober 1947 unterzeichnete Stalin die Geheimverfügung des Ministerrats der UdSSR Nummer 3547-1169c „Über die Umsiedlung der Deutschen aus der Kaliningradskaja Oblast in die Sowjetische Besatzungszone in Deutschland“. Aufgrund dieses und eines weiteren Ukas vom 15. Februar 1948 wurden bis zum Mai 1951 insgesamt 102.494 deutsche Bürger deportiert – so vermeldet es jedenfalls ein auf amtlichen Dokumenten basierender Aufsatz des russischen Historikers Juri Kostjaschow in der Zeitschrift „Woprosi Istorii“ vom Juni 1994. 

Durch den Bevölkerungsaustausch machen die Russen heute rund 86 Prozent der Einwohner des Königsberger Gebietes aus. Dazu kommen jeweils etwa drei bis vier Prozent Ukrainer und Weißrussen sowie Litauer und Armenier im Ein-Prozent-Bereich. Zum Zeitpunkt der letzten Volkszählung aus dem Jahre 2010 lebten in der Oblast außerdem noch 7349 Deutsche – die jedoch in der Regel aus Russland eingewandert waren.