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09.10.20 / kurische nehrung / Auf den Spuren Thomas Manns / Fünf Ostpreußen besuchten das Haus des Schriftstellers in Nidden, in dem einige seiner bedeutenden Werke entstanden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41 vom 09. Oktober 2020

kurische nehrung
Auf den Spuren Thomas Manns
Fünf Ostpreußen besuchten das Haus des Schriftstellers in Nidden, in dem einige seiner bedeutenden Werke entstanden
Edmund Ferner

Fünf Ostpreußen begaben sich auf die Spuren des Schriftstellers Thomas Mann und besuchten sein Sommerhaus auf der Kurischen Nehrung in Nidden. Das gab ihnen Anlass, sich näher mit der Familie Mann und ihren Aufenthalten zu beschäftigen.

Ähnlich wie Goethe von Schlesien begeistert war, so war auch Thomas Mann von einer Landschaft angetan, die zu den schönsten in Ostpreußen zählt. Der Autor der „Buddenbrooks“ hat bereits 1903 in Königsberg Lesungen in der „Literarischen Gesellschaft“ gehalten. 26 Jahre später – im August 1929 – pachtete er ein Dünengrundstück in Nidden. Begeistert schreibt er darüber: „Wir besuchten ... die Kurische Nehrung, deren Landschaft uns vielfach anempfohlen worden war, ... verbrachten einige Tage in dem zum litauisch verwalteten Memelgebiet gehörenden Fischerdorfe Nidden und waren von der unbeschreiblichen Eigenart und Schönheit dieser Natur, der phantastischen Welt der Wanderdünen, den von Elchen bewohnten Kiefern- und Birkenwäldern zwischen Haff und Ostsee, der wilden Großartigkeit des Strandes so ergriffen, dass wir beschlossen, uns an so entlegener Stelle einen festen Wohnsitz zu schaffen.“ 

Durch Vermittlung des Tapiauer Malers Ernst Mollenhauer (1892–1963) wurden die Memeler Architekten Nixdorf und Reißmann beauftragt, ein Sommerhaus zu bauen. Das Haus, mit dem besonders Katia Mann sehr zufrieden war, wurde bald fertig, und 1930 bis1932 verbrachte die Familie Mann ihre Sommerferien im eigenen Domizil in Nidden. 

Über den Aufenthalt im neuen Dünenhaus (16. Juli – Anfang September 1930) berichtet die Tochter Monika Mann in „Vergangenes und Gegenwärtiges“: „Wir hatten damals an der Ostsee – hoch oben im kurischen Gebiet, ein Haus. Mein Vater ist an der Ostsee geboren, und es hat ihn immer wieder dorthin oder auch an ein anderes Meer gezogen ... Das Haus lag mitten im Kiefernwald, eine Viertelstunde Weges vom Strand. Es hatte braune Holzwände, blaue Fensterläden und ein Dach aus Stroh und blickte auf das Binnenmeer, das sogenannte Haff.“ 

Ihr letzter Aufenthalt fand in dem unruhigen Jahr 1932 statt, als Mann an seiner „Joseph“-Tetralogie arbeitete und auch politische Artikel verfasste. Am 25. Juli schrieb er an Bertram eine Postkarte, auf der es unter anderem heißt: „Ich bin schon seit drei Wochen hier, von denen ich die ersten beiden allein mit Reisiger, einem angenehmen Hausgenossen, verbrachte. Seit acht Tagen sind nun auch die Meinen da.“ 

Litauischer Journalist begeistert

Diese Episode deutscher Literaturgeschichte hat der litauische Journalist Leonas Stepanauskas in einem ausführlichen Aufsatz behandelt. Voller Begeisterung berichtete er, wie er schon in der Schule auf Thomas Mann aufmerksam wurde und die „Buddenbrooks“ in seiner Muttersprache „verschlungen habe“. Er betrieb 1962 Studien im damaligen Thomas-Mann-Archiv der Akademie der Wissenschaften der DDR und bemühte sich, mit freundlicher Zustimmung von Katia Mann, eine Gedächtnisstätte zu errichten. Zwischen beiden entwickelte sich damals eine rege Korrespondenz, und Stepanauskas erfuhr viele Einzelheiten von ihr. 

So schrieb sie ihm, dass der Einzug in das neue Haus in Nidden zu ihren „hübschesten Erinnerungen“ zählt. Weiter hieß es: „Unser Haus war wohl die erste in Nidden erbaute Privatvilla … Über die Schönheit der Wanderdüne, die meines Wissens in Europa ihresgleichen nicht hat, brauche ich Ihnen nicht zu schreiben.“ Bereitwillig überprüfte sie die von ihm eingesandten Thomas-Mann-Materialien und sorgte so dafür, dass keine Spuren verwischt wurden. Stepanauskas zitierte litauische Zeitungen, die davon berichteten, wie sehr Nidden an Anziehungskraft gewann, nachdem die Manns in ihr „Sommerhäuschen“ eingezogen waren. Obwohl der Dichter meistens beschäftigt war, fand er doch Zeit, mit den Fischern zu sprechen, und suchte „einen Einblick in ihr raues Leben zu gewinnen“. 

Thomas-Mann-Gedenkstätte

Bereits bevor die Familie Mann in Nidden ihre Ferien verbrachte, hatten Künstler und Schriftsteller wie Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff und Ernst Wiechert diesen schon von Wilhelm von Humboldt gepriesenen Ort zu ihrem Lieblingsaufenthalt gewählt. Kein Wunder, dass Katia Mann sich sehr gern an die Aufenthalte erinnerte. Als 1967 die Thomas-Mann-Gedenkstätte in Nidden eröffnet wurde, schrieb sie an Stepanauskas: „Das sind ja hocherfreuliche Nachrichten, die ich kürzlich von Ihnen bekam, und ich beglückwünsche Sie und uns zu diesem Erfolg!“ Sie berichtet weiter, dass ihr Mann sich sehr wohl in Nidden gefühlt habe und gut seiner schriftstellerischen Tätigkeit habe nachgehen können, da er seine Arbeit über alles stellte. Beim letzten Aufenthalt 1932 war es aber mit der „Ruhe“ vorbei. Hans Reisiger berichtet von „Störungen“ durch die Nationalsozialisten. 

Viele Künstler liebten Nidden

Der Geograf Passarge war einer der ersten, die in großartigen, stilistisch hervorragenden Aufsätzen von der überwältigenden Schönheit der Nehrung schwärmten. Der westpreußische Maler Ernst-Bischoff-Culm, der junge Max Pechstein, Elfriede Lauckner, Fritz Burmann, Karl Eulenstein, Lovis Corinth, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Mollenhauer und viele andere namhafte Künstler hatten ihre Staffelei auf der Niddener Dorfstraße aufgestellt. 

Walter Hagmann reifte in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg auf der Nehrung zum Dichter heran. Und Agnes Miegel fand mit ihrer Ballade von den Niddener Frauen Eingang in deutsche Lesebücher. Sie hat Nidden erst richtig bekannt gemacht. 

Eines Tages brachte der Postbote Thomas Mann ein Päckchen, und als er es öffnete, lag ein halbverkohltes Exemplar der „Buddenbrooks“ darin. Doch dieses Ereignis konnte die Freude der Familie Mann an Nidden nicht trüben. 

Diese wunderbare Landzunge zwischen der Ostsee und dem Kurischen Haff ist die Heimat der Elche und das Reich der Wanderdünen und Wälder. In einer Länge von 98 Kilometern gehört sie zu den eigenartigsten Küstenformationen der Erde. Wie ein Märchenbild erhebt sie sich aus dem Wasser – ein Märchenbild aus weißem Sand, aus grünen Schilfbuchten und schwarzem Wald.