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09.10.20 / Aquarium / Das kann ja noch „Hai“ter werden / Nachzucht statt Wildfang – Im Ozeaneum von Stralsund wächst der Bestand von Glatthaien, was nicht selbstverständlich ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41 vom 09. Oktober 2020

Aquarium
Das kann ja noch „Hai“ter werden
Nachzucht statt Wildfang – Im Ozeaneum von Stralsund wächst der Bestand von Glatthaien, was nicht selbstverständlich ist
Helga Schnehagen

Als einzige europäische Einrichtung erfolgreich Glatthaie zu züchten, war dem Deutschen Meeresmuseum in Stralsund jetzt eine besondere Nachricht wert. Im Süßwasser ist die Zucht von Tieren sehr viel einfacher als im Seewasser, weshalb mittlerweile fast alle Süßwasserarten in zoologischen Einrichtungen aus Nachzucht stammen. Erfolgreiche Salzwasser-Nachzuchten erregen dagegen immer noch ein gewisses Aufsehen.

Um den Wildfang zu reduzieren, sind Aquarien inzwischen gut vernetzt. Seit 2013 fungiert das Deutsche Meeresmuseum darunter als europäischer Koordinator für die Auflistung von Glatthaien in zoologischen Einrichtungen. Auch nimmt es mit allen seinen Hai- und Rochenarten an den relevanten internationalen Managementprogrammen teil, was den Austausch von Tieren und Erfahrungen über die Landesgrenzen hinaus bedeutet.

Seit 2017 ist die Glatthai-Nachzucht in Stralsund selber so erfolgreich, dass das Deutsche Meeresmuseum inzwischen zahlreiche eigene Tiere in seinem 2,6-Millionen-Liter-Becken „Offener Atlantik“ des Ozeaneums zeigen und an andere Aquarien vermitteln kann. Die über einen Meter langen Glatthaie sind gechipt und individuell mit Geschlechts- und weiteren biologischen Daten erfasst. 

Nicole Kube, die Aquarienkuratorin am Deutschen Meeresmuseum, beobachtet seit 2013 als Koordinatorin der Fish and Invertebrate Taxonomy Advisory Group Glatthai-Bestände in europäischen Aquarien. „Diese Haiarten sind nicht so häufig in Aquarien zu finden, da sie große Becken mit kälterem Wasser benötigen. Auch die Strömung und das Futter sind entscheidend bei der Haltung der Tiere. Das Deutsche Meeresmuseum ist die einzige Institution in Europa, die regelmäßig und erfolgreich Glatthaie züchtet. Wir sind sehr stolz darauf, dass uns die schwierige Nachzucht inzwischen so kontinuierlich gelingt“, so Kube. 

In ihrer Funktion als Koordinatorin fragt die Wissenschaftlerin jährlich die Bestandszahlen der Tiere in europäischen Zoos und Aquarien ab, spricht Empfehlungen zur Optimierung des Tierbestandes aus und sorgt für einen regen Informationsaustauch über Haltungsbedingungen und -richtlinien sowie Nachzuchtanforderungen. 

Dabei machen sich die Zoologen selbstverständlich auch die Techniken aus der standardisierten Züchtung kommerziell genutzter Seefische wie Dorade, Wolfsbarsch und Steinbutt zu Nutze, um sie für weitere Arten abzuwandeln und weiterzuentwickeln. Jährlich steigern damit auch Großaquarien und Züchter die Zahl der nachgezogenen Seewassertiere in zoologischen Einrichtungen. 

Derzeit befinden sich 8,6 Prozent der bekannten Hai- und Rochenarten in der Obhut europäischer Zoos und Aquarien. Dazu zählen vorrangig benthische, also am Boden lebende Tiere. Etwa die Hälfte dieser Arten wird momentan schon nachgezogen. Tendenz steigend.

Neben Glatthaien zieht das Deutsche Meeresmuseum auch andere Fischarten und Wirbellose nach, darunter Seepferdchen, Stechrochen, Blaupunktrochen, Kardinalsbarsche und andere mehr. Seit Jahren gedeihen hier in kleinen Becken zudem tropische Korallen. 

Korallen aus Nachzucht sind inzwischen Standard in Aquarien. Ihre Vermehrung ist relativ einfach. Sie folgt in etwa dem Prinzip von Baumschulen. Man nimmt ein Bruchstück oder bricht ein Stück ab und befestigt es mit Zwei-Komponenten-Korallenkleber auf einem Stein. Die so erzielte ungeschlechtliche Vermehrung nennt man Fragmentierung. Diese Technik ist nicht neu. Sie wurde schon vor 30 bis 40 Jahren „erfunden“.

Die Fragmentierung wird inzwischen auch auf die freie Wildbahn übertragen. So fährt Kube regelmäßig auf die Malediven, um in Arbeitsgruppen und Kursen die Malediver für das Thema zu sensibilisieren und ihnen zu zeigen, wie sie auf einfache Art Reparaturen an Korallenriffs durchführen oder neue kleine Riffs anlegen können. „Gegen eine große Korallenbleiche wie etwa 2016 sind wir mit der Methode der Fragmentierung natürlich machtlos“, sagt Kube etwas resigniert, „die kleinflächigen Reparaturen können zwar nicht verhindern, dass Korallen eines Tages verschwinden. Aber man kann ihr Aussterben damit zumindest verzögern.“

Ozeaneum, Hafenstraße 11, 18439 Stralsund, geöffnet täglich von 9.30 bis 18 Uhr. Deutsches Meeresmuseum, Katharinenberg 14–20, 18439 Stralsund, geöffnet täglich 10 bis 17 Uhr. Ab 1. Januar 2021 wird das Meeresmuseum wegen Modernisierung für längere Zeit geschlossen. Internet: www.deutsches-meeresmuseum.de