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16.10.20 / Automobilbau / Lieber Luxuswagen als E-Autos und ÖPNV / Warum ein politisch inkorrektes Motto wirtschaftlich erfolgversprechend erscheint

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42 vom 16. Oktober 2020

Automobilbau
Lieber Luxuswagen als E-Autos und ÖPNV
Warum ein politisch inkorrektes Motto wirtschaftlich erfolgversprechend erscheint
Norman Hanert

Laut Berechnungen des Center Automotive Research haben einige deutsche Automobilhersteller im ersten Halbjahr hohe Verluste eingefahren. Demnach verlor beispielsweise die Pkw-Sparte des Volkswagenkonzerns im ersten Halbjahr pro verkauftem Fahrzeug 415 Euro. Bei BMW soll der Verlust sogar bei 1135 Euro gelegen haben. Inzwischen werden die drei deutschen Autobauer BMW, Daimler und Volkswagen an den Börsen niedriger gehandelt als der kalifornische Elektropionier Tesla. 

Für Ferdinand Dudenhöffer, den Leiter des Center Automotive Research an der Uni Duisburg-Essen, legen die Verluste der deutschen Autohersteller in der Coronakrise verborgene Schwächen einiger deutscher Autobauer offen und sind ein Zeichen für Anpassungsbedarf. Tatsächlich haben ausländische beziehungsweise ausländisch dominierte Hersteller wie Skoda, Toyota oder PSA-Opel im ersten Halbjahr trotz der Corona-Krise einen dreistelligen Gewinn je verkauftem Fahrzeug erzielen können. 

Dennoch gibt es einen angesehenen Branchenexperten, der für die traditionellen Autohersteller und besonders für die Premiummarken gute Zukunftsaussichten sieht. Sein Name lautet Arndt Ellinghorst. Der Analyst beim Investmenthaus Sanford C. Bernstein weicht mit seinen Ansichten zur Autobranche gleich in mehreren Punkten von der derzeit vorherrschenden Meinung vieler Investoren ab. Beispielsweise stimmt Ellinghorst dem häufig zu hörenden Abgesang auf das Auto als Verkehrsmittel nicht zu. Er glaubt sogar an die „Wiedergeburt des Autos“. Aus Sicht von Ellinghorst haben viele Menschen während der Corona-Pandemie erneut entdeckt, welche Vorzüge das eigene Auto gegenüber dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) hat. Rückenwind könnten sich die Autobauer zudem von einem langfristigen Trend erhoffen. Durch den anhaltenden Wegzug aus den großen Metropolen wüchsen die Vorstädte und damit auch die Nachfrage nach Autos. Für die Menschen in den Vorstädten und im ländlichen Raum seien Autos aber bislang noch immer unverzichtbar. Dementsprechend sieht Ellinghorst die Verkaufszahlen von Neuwagen in den nächsten Jahren schneller wieder anziehen, als dies allgemein erwartet wird. 

„Wiedergeburt des Autos“

Skeptisch sieht der Bernstein-Manager dagegen die Aussichten vieler neuer Geschäftsmodelle. Autonomes Fahren und auch Robotertaxis werden nach Ansicht des Experten erst viel später kommen, als dies von den meisten erwartet wird. Bei den vielen Start-up-Unternehmen, die Elektroautos auf den Markt bringen wollen, sieht der Staranalyst „viel Verwirrung im Markt und vor allem zu viel Geld“. „Da ist viel Geld vernichtet worden, und da wird weiter viel Geld vernichtet.“ Den traditionellen Herstellern empfiehlt Ellinghost, nicht jedem Trend und jedem neuen Geschäftsmodell hinterherzulaufen. Dementsprechend könne die Autoindustrie auch bei den Kosten für Forschung und Entwicklung etwas sparen, anstatt hohe Summen in jeden neuen Technologietrend zu investieren.

Daimler-Chef Ola Källenius scheint diesem Rezept teilweise zu folgen. So sollen bei seinem Unternehmen mittelfristig die Forschungskosten sinken. Darüber hinaus kündigte Källenius unlängst auf einem Kapitalmarkttag für Investoren einen ganz grundlegenden Strategiewechsel für den angeschlagenen Autobauer an. Neben einem strammen Sparkurs soll der Absatz von mehr Luxusautos künftig wieder für mehr Profit bei Daimler sorgen. Statt Massengeschäft steht für den Daimler-Chef vor allem die Profitabilität im Vordergrund. Im Zuge dieser Strategie soll der Absatz der margenträchtigen Konzernmarken wie Maybach oder AMG sowie der G-Klasse in den kommenden Jahren kräftig steigen. Eine weitere Expansion im Bereich unterer Fahrzeugsegmente lehnt Källenius dagegen ab. Anders als sein Vorgänger Dieter Zetsche strebt Källenius keine Absatzrekorde an. Als Vorbild für diese Strategie kann Porsche gesehen werden. Bei dem Autobauer aus Stuttgart-Zuffenhausen warf jeder verkaufte Neuwagen einen Gewinn von 9853 Euro ab. 

Daneben will der Schwede den schwäbischen Autobauer auch zu einem führenden Hersteller von E-Autos machen. Schon bis 2030 sollen Elektrofahrzeuge bei Daimler für die Hälfte des Umsatzes sorgen. Im Gegenzug will der 51-Jährige die Verbrenner-Varianten bis 2030 um sieben Zehntel reduzieren. 

Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht warnte inzwischen, alles auf die Karte E-Mobilität zu setzten. „Wer ohne Verbrenner plant, schlägt all denjenigen Kolleginnen und Kollegen ins Gesicht, die seit Jahrzehnten in diesen Bereichen eine hervorragende Arbeit leisten und diese Technik weiter verbessern“, so der Personalvertreter.

Tatsächlich sind mit der Abkehr vom Verbrennungsmotor bei Daimler allein in den beiden großen Motorenwerken in Stuttgart-Untertürkheim und Berlin-Marienfelde mehrere tausend Arbeitsplätze gefährdet. Die Jobverluste durch die Elektromobilität könnten sich im Zuge des angekündigten Strategiewechsels noch verstärken.