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16.10.20 / Alfred Partikel / Eins geworden mit zweitliebster Landschaft / Seit 75 Jahren verschollen – Das rätselhafte Verschwinden des ostpreußischen Künstlers in der Künstlergemeinde Ahrenshoop

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42 vom 16. Oktober 2020

Alfred Partikel
Eins geworden mit zweitliebster Landschaft
Seit 75 Jahren verschollen – Das rätselhafte Verschwinden des ostpreußischen Künstlers in der Künstlergemeinde Ahrenshoop
Bettina Müller

Das „Ahrenshooper Holz“, ein 54 Hektar großes Waldgebiet unweit der berühmten Künstlerkolonie, kann einen in der dunklen Jahreszeit schon mal das Fürchten lehren. Eine unheilvolle Stimmung herrscht inmitten dieser urwüchsigen Landschaft nahe des riesigen Darßer Walds mit ihren geheimnisvollen Buchen und Eichen, die sicher manche Geschichte erzählen könnten. 

Doch eines der größten Geheimnisse haben die altehrwürdigen Bäume bis heute nicht freigegeben: das Verschwinden des ostpreußischen Malers Alfred Partikel am 20. Oktober 1945 in genau diesem sagenumwobenen Gebiet, nachdem er morgens zum Pilze sammeln aufgebrochen war, kam er nie wieder zurück. 

Aus Ostpreußen war der damals 56-jährige Partikel mit dem Fahrrad vor der immer näher kommenden Sowjetarmee geflohen. Hatte die über 700 Kilometer weite Strecke unter Strapazen bewältigt, nachdem er nicht nur seine Heimat, sondern auch seinen 1944 in Russland gefallenen Sohn Adrian verloren hatte, um dann auf bis heute ungeklärte Art und Weise ums Leben zu kommen. 

Bis heute wird darüber spekuliert, wie der Maler damals wohl gestorben sein mag. Ist er irgendwo im Sumpf eingesunken und erstickt? Haben ihn Angehörige des sowjetischen Militärs, die zu dieser Zeit in der Gegend stationiert waren, bei der Jagd oder einem Patrouillengang versehentlich erschossen? 

Kunstprofessor in Königsberg

Dorfbewohner wollen zwar an diesem Tag Schüsse im Wald gehört haben, doch die zuständige Militärbehörde wies den Vorwurf stets von sich, und Partikels Leiche wurde nie gefunden. Ein möglicher Unfalltod und sogar Wildschweine, die in dieser Gegend verstärkt marodierten, wurden für die verschiedenen Theorien über Partikels Tod herangezogen. 

Einige Künstler machten sich 2017 für das „Neue Kunsthaus Ahrenshoop“ Gedanken über das „rätselhafte Verschwinden des Malers Alfred Partikel“ und versuchten, sich dem Thema aus heutiger Sicht zu nähern und den Gedankenprozess schöpferisch umzusetzen. 

Weniger rätselhaft ist hingegen sein Werdegang. Der 1888 in Goldap geborene Partikel, der seine Ausbildung an der Königsberger Akademie erhalten hat, wurde vor allem durch seine ostpreußischen Landschaftsbilder berühmt, die noch heute bei Auktionen hohe Preise erzielen. 2017 wurde zum Beispiel für das Gemälde „Bäuerin mit zwei Ziegen“ (1920) bei der traditionellen alljährlichen Ahrenshooper Kunstauktion ein Höchstgebot von 13.000 Euro abgegeben. Durch seine Mitgliedschaft in der Künstlergruppe „Freie Secession“ in Berlin lebte Partikel zeitweilig zwar auch dort, doch mit der Großstadt wurde er nie richtig warm. 

Partikel liebte die Landschaft seiner Heimat, und in seinen Gemälden bekam man, was man sah: keine versteckten Botschaften, keine verwegenen Experimente et cetera, wie es in der Berliner Kunstwelt der 1920er Jahre schon mal vorkam. Hier war ein Maler alter Schule am Werk, den Experten sogar mit den alten holländischen Meistern des ausgehenden 16. Jahrhunderts oder auch mit Caspar David Friedrich verglichen. Partikels Stil war oft karg und melancholisch, mit breiten Pinselstrichen, die sich dann schichtförmig gen Horizont ausbreiteten, und das in bräunlichen Herbstfarben. 

Sehr oft war Winter, vor allem in seinen ostpreußischen Landschaftsbildern, die zum Beispiel „Tauschnee“, „Winterdorf“ oder „Winterlandschaft“ hießen. An figürlichen Darstellungen sah man darauf häufig den Prototyp des ländlichen Ostpreußen: den pflügenden Bauern. In der Regel spielten die Menschen eher eine untergeordnete Rolle bis hin zu einer lediglich schemenhaften Darstellung wie zum Beispiel das „Bauernmädel“, das eine weiße Arbeitshaube trug und dadurch fast schon klösterlich-fromm wirkte. Manchmal fehlten die Menschen auf Bildern wie „Boddenlandschaft bei Ahrenshoop“ aber auch vollständig, vielleicht, weil der Maler sie sowieso als extrem mit ihrer Heimat verschmolzen sah. 

Partikel hatte die Gegend durch seine Ehefrau Dorothea geborene Körte, deren Familie dort lebte, kennen und lieben gelernt. Hatte durch sie also mit dem Darß eine weitere Landschaft gefunden, die ihn zu Werken von stiller Poesie inspirierte. Und natürlich den Ort Ahrenshoop, wo er 1925 ein Haus in der Dorfstraße 32 auf einem Grundstück baute, das Dorotheas Mitgift war. Vier Jahre später wurde er zum Professor für Landschaftsmalerei in Königsberg berufen, was nicht verhinderte, dass 1937 vier der Werke dieses sehr traditionellen Malers als „entartet“ gebrandmarkt wurden. 

Es mag vielleicht ein Trost sein, dass Partikel mit seinem Ableben in gewisser Weise mit seiner zweitliebsten Landschaft eins wurde.