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16.10.20 / „Peter III. - Der Zar, der Ostpreußen rettete“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42 vom 16. Oktober 2020

„Peter III. - Der Zar, der Ostpreußen rettete“

Vortrag „Peter III. – der Zar, der Ostpreußen rettete“ gehalten vor der HKG Barten-stein am 05. September 2020 in Nienburg / Weser von Jörg Ulrich Stange, Vorsitzender des Kieler Zarenvereins

Herzog Carl Peter Ulrich von Holstein-Gottorf wurde im Kieler Schloss als Sohn des Herzogs Carl Friedrich und dessen Frau, Anna Petrowna, der Tochter Peters des Großen, am 21.02.1728 geboren. Er war damit Anwärter auf den russischen Thron, aber durch die schwedische Familie seines Vaters ebenfalls ein Aspirant für die schwedische Königskrone. Nachdem der Kieler Prinz als Kind beide Eltern durch deren frühen Tod verloren hatte, wurde er Anfang 1742 nach St. Petersburg gebracht, um als Neffe der kinderlosen Zarin Elisabeth zu deren Thronfolger ernannt zu werden. Durch Vermittlung Friedrichs des Großen heiratete der Großfürst 1745 Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, die russisch-orthodox auf den Namen Katharina getauft wurde und bestieg nach dem Tod seiner Tante, der Kaiserin Elisabeth, als Zar Peter III. 1762 den Thron von Russland. 

Inspiriert von den Ideen der Aufklärung brachte Zar Peter III. eine beachtliche Anzahl von Sozialreformen für das feudalistisch erstarrte Russland auf den Weg. Der Kieler Zar beendete noch am ersten Tag seiner Regierung den Siebenjährigen Krieg durch einen sofortigen Waffenstillstand mit Preußen, womit er zigtausenden russischen und europäischen Soldaten das Leben rettete und das Gleichgewicht der Mächte in Europa sicherte. Mit dem Ausscheren Russlands aus der Kriegskoalition mit Frankreich und Österreich war das Ende des verlustreichen Krieges eingeläutet, aber auch de facto der „erste“ Weltkrieg beendet worden. Denn gekämpft wurde in diesem Krieg bereits auf vier Kontinenten. Vor allem verdankte Preußen dem Zaren aus Kiel seine Weiterexistenz als europäische Großmacht. Der Staat Friedrichs II. stand aufgrund mehrerer verlorener Schlachten zum Jahreswechsel 1761/62 vor dem Zusammenbruch. 

Zar Peter III. gab Preußen das von seiner Tante und Vorgängerin auf dem russischen Thron 1758 eroberte Ostpreußen zurück, wofür man ihn bis heute in gewissen russischen Kreisen als „Verräter“ oder auch „deutschen Agenten auf dem russischen Zarenthron“ bezeichnet.

Doch die Eroberung Ostpreußens unter Zarin Elisabeth im Siebenjährigen Krieg lässt sich keineswegs mit der Besetzung durch die Russen 1914 oder 1945 vergleichen.

Es war eine ausdrückliche Anweisung Elisabeths, die Ostpreußen milde zu behandeln, um sie für Russland zu gewinnen. Der Beamtenapparat blieb bestehen, wie unter Preußen, nur leisteten diese ihren Amtseid gegenüber der Zarin. Offiziere besuchten die Vorlesungen der Universität Königsberg. Die Stimmung war gut, man feierte die 13 russischen Feiertage des Jahres mit großem Pomp. Etwas Glanz des St. Petersburger Zarenhofes zog in Königsberg ein. Die Geschäfte florierten, besonders mit Getreide, denn die russische Armee steigerte die Nachfrage. Allgemein sprach man in Königsberg von einem Klimawechsel. Das gesellschaftliche Leben gewann an Glanz und Dynamik. Russische Offiziere waren beliebt bei den jungen Damen in Königsberg, die Scheidungsrate stieg signifikant und das Punschtrinken kam in Mode. Die Russen waren so klug, dass sie keine Einquartierungen in Privathäusern verlangten und auch keine jungen Ostpreußen zum Militärdienst einzogen. Allerdings gab es Kontributionen zu zahlen, wovon allein Königsberg ein Drittel zu tragen hatte. Waren die Abgaben zu belastend, reiste eine deutsche Delegation an den Zarenhof, wo i. d. R. Nachlass gewährt wurde.

Der Schiffsbau für die russische Kriegsflotte führte allerdings zur Abholzung der Kurischen Nehrung, deren spätere wüstenartige Dünenlandschaft auf diese Zeit zurückzuführen ist. Darüber gab es in Königsbergs keine Proteste, wie überhaupt in den Briefen der Geistesgrößen Königsberg kaum etwas Negatives über die russische Besatzungszeit zu lesen ist.

Insgesamt lebten die Ostpreußen nicht schlecht unter der russischen Besatzung, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Landstände ohne äußeren Druck ihren Eid auf die russische Zarin leisteten, was wiederum Friedrich II. erboste und er Zeit seines Lebens aus Verärgerung darüber keinen Fußbreit mehr auf ostpreußischen Boden setzen würde. Die Bewohner seiner durch Peter III. zurückgegebenen Provinz waren für ihn schlicht „Verräter“.

Neben dem Waffenstillstand mit Preußen, gelten die Reformen des Kieler Zaren als sein eigentliches Lebenswerk. In nur 186 Tagen seiner Regierungszeit bis zu seinem Sturz und der Ermordung, erließ er über 200 Gesetze, Erlasse und Ukase.

Eine kleine Auswahl seiner im Geiste der Aufklärung verfassten Neuerungen für sein rückständiges Russisches Reich:

- Erste Maßnahmen zur Aufhebung der Leibeigenschaft

-  Bodenreform zugunsten der Kleinbauern

- Bildungspflicht für alle Kinder

- Religiöse Toleranz

- Amnestie für politisch und religiös Verfolgte

- Auflösung der gefürchteten Geheimpolizei

- Abschaffung der Folter 

- Abschaffung der Salzsteuer zur Entlastung der einfachen Bevölkerung

Besonders die orthodoxe Kirche, die über Millionen von Leibeigenen und einen großen Teil der landwirtschaftlichen Fläche Russlands verfügte, aber auch gewisse Kreise innerhalb der Aristokratie, die sich unter Peter III. um ihre Privilegien gebracht sahen, unterstützten seine Gattin Katharina bei deren Putschvorhaben gegen Peter III. Vorsorglich hatte sie bereits jahrelang abfällige Gerüchte zu Lasten ihres Ehemanns in Umlauf bringen lassen, deren Wahrheitsgehalt einer historisch-wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. 

Ende Juni 1762, am Peter und Paul Tag, den der Zar mit seinem Sohn in der Residenz Oranienbaum feiern wollte, verhafteten bestochene Offiziere der Leibregimenter ihren Zaren im Auftrag Katharinas. Wenig später wurde Peter III. im Jagdschloss Ropscha bei St. Petersburg vom Liebhaber seiner Gattin, Alexej G. Orlow, ermordet. Dafür belohnte Katharina ihren Getreuen mit unvorstellbar weitläufigen Ländereien und über 100.000 Leibeigenen, so dass der Zarenmörder für seine Tat zu einem der reichsten Männer des Russischen Reiches aufstieg.

Die neue Kaiserin verstand es, ihren Sohn und legitimen Thronfolger des Vaters bis zu ihrem Tod 1794 vom Thron fernzuhalten. Mit unwahren Behauptungen und üblen Schmähungen verleumdete sie ihren Gatten, der sich aufgrund seiner sozialen Reformen beim einfachen Volk deutlicher Beliebtheit erfreute. Positive Äußerungen über ihren ermordeten Gatten ließ die Zarin mit strengsten Strafen ahnden, so dass ihre Negativpropaganda unkritisch in die Geschichtsschreibung Eingang finden konnte. Ihre Rechtfertigungsmanifeste und ihre subjektiven Memoiren dienten Generationen von Historikern als „wissenschaftlicher Steinbruch“, wodurch die abwertenden Urteile über das Leben des unglücklichen Kieler Zaren über zweihundert Jahre geprägt wurden.

Der Kieler Zarenverein widerlegt in seinen Publikationen die zumeist unbewiesenen negativen Überlieferungen über Peter III.

Die Arbeit der Kieler Historiker trägt seit einigen Jahren entsprechende Früchte, so dass der früher als regierungsunfähig geltende Peter III. heute größtenteils differenziert beurteilt wird und vor allem sein umfangreiches soziales Reformwerk und seine Verdienste um die Beendigung des Siebenjährigen Krieges zunehmend gewürdigt werden.