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16.10.20 / Altertumsgesellschaft Prussia / Das reiche Erbe Ostpreußens erhalten / Der Historiker Wulf D. Wagner zeichnet die Geschichte der PRUSSIA von der Entstehung bis 1945 nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42 vom 16. Oktober 2020

Altertumsgesellschaft Prussia
Das reiche Erbe Ostpreußens erhalten
Der Historiker Wulf D. Wagner zeichnet die Geschichte der PRUSSIA von der Entstehung bis 1945 nach
Dagmar Jestzremski

Am 19. November 1844, dem 300. Jahrestag der Gründung der Königsberger Universität „Albertina“, wurde die Altertums-Gesellschaft PRUSSIA zu Königsberg in Preußen gegründet. Die Idee zu dem Zusammenschluss von „Freunden des vaterländischen Alterthums“ hatte der Königsberger Professor für Kunstgeschichte und Ästhetik August Hagen (1797–1880), der auch zum ersten Vorsitzenden der PRUSSIA-Gesellschaft gewählt wurde. Der Geschichtsverein gab eigene Schriftenreihen sowie zahlreiche wissenschaftliche Werke zur Historie Ost- und Westpreußens heraus und vergrößerte fortlaufend seine archäologischen, volkskundlichen und ethnologischen Sammlungen. 

Die ab 1879 im Königsberger Schloss untergebrachten Bestands- und Schausammlungen des Prussia-Museums hatten bereits um 1900 eine Bedeutung von europäischem Rang. Infolge des Zweiten Weltkrieges wurden das Museumsarchiv und die Sammlungen mit mehreren Hunderttausend Objekten großenteils unwiederbringlich zerstört. 175 Jahre nach Gründung der PRUSSIA-Gesellschaft erschien Ende 2019 die hervorragende und insbesondere lebensnahe Forschungsarbeit des Historikers und ausgewiesenen Ostpreußenkenners Wulf D. Wagner zur Geschichte der PRUSSIA bis 1945 unter dem Titel „Die Altertumsgesellschaft Prussia. Einblick in ein Jahrhundert Geschichtsverein, Archäologie und Museumswesen in Ostpreußen (1844–1945)“. Das Buch ist mit großenteils unveröffentlichten Fotos sowie Plänen und Skizzen ausgestattet, die einen guten Eindruck von dem Wirken der PRUSSIA vermitteln. 

Ab 1893 führte der Verein selbst archäologische Grabungen durch und füllte mit den Fundobjekten seine Vitrinen und Schränke. Frühzeitig war in dem Zusammenhang von „Raumnot“ die Rede. Von den weiteren Werken des Autors zur Geschichte Ostpreußens sei hier lediglich auf die 2008 und 2011 veröffentlichte zweibändige Dokumentation „Das Königsberger Schloss“ hingewiesen, da Band II einen Überblick über das Schicksal der teilweise geretteten PRUSSIA-Sammlung aus dem Königsberger Schloss nach 1945 enthält. 

Für das vorliegende Buch hat der Autor als zentrales Vorhaben die erhaltenen und seit 2000 mühsam neu geordneten Archivalien des PRUSSIA-Archivs im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte gesichtet und ausgewertet. 

Aus den Unterlagen wurden vielfach längere Ausschnitte und Zitate in die chronologische Darstellung eingefügt, um, wie Wagner mitteilt, eine Vorstellung davon zu vermitteln, welch große Lücken bei den verlorenen Akten und Funden zu beklagen sind. Des Weiteren war es sein Anliegen, den unerschöpflichen Idealismus, die Fragen, Sorgen und Zweifel aller beteiligten Persönlichkeiten herauszustellen, „denn nichts vermag, so glaube ich, wenn wir vom Ende des Buches zurückschauen, größere Ehrfurcht vor dem Erreichten hervorzurufen, ja nichts ist zugleich aktueller, wenn wir danach fragen, was uns die Geschichte einer Altertumsgesellschaft heute noch bedeuten kann“, so Wagner. 

Große Lücken durch Kriegsverluste

Diese Schwerpunktsetzung in Verbindung mit einem schwungvollen Schreibstil, dabei die vielfältigen Verknüpfungen aufzeigend, denen der Autor aus nachvollziehbaren Gründen großenteils nicht nachgehen konnte, eröffnet den Blick auf ein großes Umfeld, was etwa die – durchweg von privater Seite geleistete – Finanzierung der Arbeit der PRUSSIA betraf oder die Kontakte zu anderen Museen und Wissenschaftlern. Von den literarischen Quellen lieferten naturgemäß die seit 1875 gedruckten „Sitzungsberichte der Altertumsgesellschaft PRUSSIA“, später umbenannt in „PRUSSIA – Zeitschrift für Heimatkunde und Heimatschutz“, wichtige richtungweisende Ansätze. 

Eine der maßgeblichen Persönlichkeiten, deren Lebensläufe nachgezeichnet werden, war der vielseitig interessierte und reisefreudige Professor für indogermanische Sprachwissenschaft, ehrenamtliche PRUSSIA-Vorsitzende und Museumsleiter von 1891 bis 1916, Adalbert Bezzenberger (1851–1922). Als dieser den Vorsitz an Professor Felix Ernst Peiser (1862–1921) übergab, hatte das Museum „eine herausragende Stellung innerhalb des Deutschen Reiches erworben“. 

Das Herzensanliegen der PRUSSIA-Mitglieder war es, das kulturelle Erbe Ostpreußens zu bewahren. „Heute wissen wir, dass es ihnen nicht gelungen ist“, stellt Wagner nüchtern fest. Dennoch klingt schlussendlich gedämpfter Optimismus an: „Hundert Jahre bestand die Altertumsgesellschaft PRUSSIA. Führend nahm sie nicht nur teil an der Erforschung der Geschichte Ostpreußens, sondern durch die zahlreichen Verbindungen vor allem in den skandinavischen Raum, aber auch nach Polen, Litauen oder Russland, an der Vorgeschichtsforschung Europas. Die Größe des Fundreichtums im ostpreußischen Boden und somit die der Sammlung war aufgrund der späten Christianisierung Ostpreußens durch den Deutschen Orden ab dem 13. Jahrhundert auch im europäischen Vergleich gewaltig.“ 

Landesweite Bedeutung

Nicht nur die vorgeschichtliche Abteilung der PRUSSIA, auch andere Bereiche des Museums, wie etwa die Sammlung zu Immanuel Kant, genossen eine Bedeutung, die weit über die Grenzen der Provinz 

hinausreichte: „Das reiche Erbe in Form der Sammlungen, Archivalien und Publikationen wird auch kommenden Archäologen und Historikern noch lange eine unerschöpfliche Grundlage weiterer Forschungen sein.“ 

Wulf D. Wagner: „Die Altertumsgesellschaft Prussia. Einblick in ein Jahrhundert Geschichtsverein, Archäologie und Museumswesen in Ostpreußen (1844–1945)“, PRUSSIA-Schriftenreihe Bd. 29, Husum Verlag, Husum 2019, gebunden, 368 Seiten, 34,95 Euro