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16.10.20 / Paläontologie / Fossile Schatzsuche / Die Grube Messel mit ihren urzeitlichen Tierfunden ist seit 25 Jahren Weltnaturerbe – Im Altmühltal kann man sogar selbst graben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42 vom 16. Oktober 2020

Paläontologie
Fossile Schatzsuche
Die Grube Messel mit ihren urzeitlichen Tierfunden ist seit 25 Jahren Weltnaturerbe – Im Altmühltal kann man sogar selbst graben
Helga Schnehagen

Heute – so wird vorgeschlagen – leben wir in der Epoche des Anthropozän, dem vom Menschen geprägten Zeitalter. Doch wie sah die Welt im Eozän vor etwa 48 Millionen Jahren aus? Die Grube Messel, ein stillgelegter Ölschiefer-Tagebau bei Darmstadt, gibt Antworten. Wurden aus diesem einzigartigen Hort von Urpflanzen und -tieren doch bereits rund 40.000 Fossilien ans Tageslicht befördert.  

Die Knochenplatten eines urzeitlichen Krokodils waren 1875 der erste Fund. Regelmäßige Grabungen folgten erst seit Mitte der 1960er Jahre. 1971 wurde die industrielle Nutzung der Grube eingestellt, und seit Mitte der 1980er stiegen die Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Publikationen sprunghaft an.

Herausragend sind die Urpferde, insgesamt vier unterschiedliche Arten, und das Primatenweibchen Darwinius massilae, genannt Ida. Präsentiert werden die Fossilien hauptsächlich im Senckenberg-Museum Frankfurt, im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, im Fossilien- und Heimatmuseum Messel sowie in der Schatzkammer des Besucherzentrums. Darüber hinaus findet man Messel-Fossilien in Museen weltweit.

Jahrtausendealtes Wasser

Bis heute führen die Forschungseinrichtungen Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung und das Hessische Landesmuseum Darmstadt regelmäßig Grabungen in der Grube durch. Nach zweijähriger Pause starteten Mitglieder des Museumsvereins Messel e. V. zusammen mit dem Grabungsteam der Senckenberg-Gesellschaft in diesem Jahr wieder ihre reguläre „Schatzsuche“. Und die begann gleich mit einer spektakulären Entdeckung. Beim feinen Aufspalten des Ölschiefers fand man eine parasitisch lebende Wespe und einen – scheinbar wie im Flug festgehaltenen – Käfer. Die Fossilien sind zwar nur etwa vier Millimeter groß, belegen aber erneut die wissenschaftliche Bedeutung der Fossillagerstätte, die in diesem Jahr ihr 25. Jubiläum als UNESCO-Weltnaturerbe feiert.

„Die neu entdeckte Mini-Wespe ist so exzellent erhalten, dass sogar große Teile der winzigen Fühler zu erkennen sind“, so Sonja Wedmann vom Senckenberg-Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Auch der fossile Käfer zeigt spannende Details: Der Kopf inklusive der Fühler ist im Gestein verewigt. Teile der Augen sind als Ringe überliefert, sodass es fast so aussieht, als ob der Käfer eine Brille trüge. „Dieses Phänomen kennen wir schon von anderen Insektenfossilien – dabei handelt es sich wahrscheinlich um besondere Strukturen der Kopfkapsel“, fügt Wedmann hinzu.

Für interessierte Laien bietet das geo- und naturwissenschaftliche Team der Grube Messel zum Jubiläum Exklusiv-Touren durch den Tagebau. Die einstündige „Schnuppertour“ führt zirka 30 Höhenmeter in die Grube hinein. Der Besucher erfährt dabei etwas über die Industriegeschichte, die Entstehung der Grube, die Entstehung des Ölschiefers, wie nach Fossilien gesucht wird, wie sie präpariert werden und wie unpräparierte Originalfossilien aussehen. 

Auf der zweistündigen „Grubenwanderung“ geht man bis zur Grubensohle (etwa 60 Höhenmeter) und macht Halt an der Grabungsstelle von 2001. Durch die 433 Meter tiefe Bohrung wurde nachgewiesen, dass die Grube Messel vor 

48 Millionen Jahren durch eine vulkanische Eruption entstand. Das Wasser, das aus dem Bohrloch quillt, ist jahrtausendealt und liegt weit unterhalb des Grundwasserspiegels. Vor Ort kann man es aus diesem sogenannten artesischen Brunnen probieren. 

Zu Gast bei Archaeopteryx

Ansonsten werden die Themen der Schnuppertour detaillierter besprochen. Wenn Haldenmaterial zur Verfügung steht, darf auch kurz nach Fossilien gesucht werden. Bei der anderthalb Stunden dauernden „Entdeckertour“ liegt der Fokus gleich auf der Fossiliensuche im Haldenmaterial. In beiden Fällen dürfen keine Fossilien mitgenommen werden.

Anders ist es im bayerischen Naturpark Altmühltal. Dort können Hobbyforscher ihr Glück auf eigene Faust versuchen. In fünf Steinbrüchen und Sammelstellen – Mönsheim, Titting, Eichstätt, Schamhaupten, Solnhofen – kann man gegen geringen Eintritt oder kostenlos mit Hammer und Meißel auf Fossiliensuche gehen und kleine Funde mitnehmen. 

Die fossilen Tier- und Pflanzenreste stammen aus dem subtropischen Jurameer, das vor rund 140 Millionen Jahren ganz Süddeutschland bedeckte. Tier- und Pflanzenreste sanken darin zu Boden, wurden vom Kalkschlamm bedeckt, der sich in Schichten ablagerte und über die Jahrmillionen versteinerte. Bis heute werden die Plattenkalkschichten als Baumaterial abgebaut.

Dabei wurden bisher über 900 verschiedene Tier- und Pflanzenarten entdeckt. Star im Paläo-Zoo aus Ammoniten, Raubfischen, Krokodilen, Sauriern ist der Urvogel Archaeopteryx. Berühmt ist das um 1874 auf dem Blumenberg bei Eichstätt gefundene Exemplar im Berliner Naturkundemuseum. Der jüngste der inzwischen zwölf Archaeopteryx-Funde ist im Dinopark Denkendorf zu sehen.

Erst vor wenigen Tagen konnten Wissenschaftler ein fast 160 Jahre altes Rätsel lösen: Ein 1861 im fränkischen Altmühltal  gefundenes isoliertes Feder-Fossil, dass auch zum Bestand des Berliner Museums für Naturkunde gehört, konnte seitdem keinem Urzeitvogel zugeordnet werden. Dank eines speziell entwickelten Elektronenmikroskops weiß man jetzt, dass die Feder vom linken Flügel eines Archaeopteryx stammt. Und das wird mit Sicherheit nicht die letzte Entdeckung über die Pflanzen- und Faunawelt der jüngeren Erdgeschichte bleiben.

Infos: Grube Messel: Exklusiv-Tour mit maximal neun Personen nur mit Anmeldung möglich, Telefon (06159) 717590, online: www.grube-messel.de/buchungen.html#regdl=kategorien, Saisonende aller Führungen ist am 1. November. Altmühltal: Fossiliensammler: www.naturpark-altmuehltal.de/fossiliensuche