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16.10.20 / Der Wochenrückblick / Der Ast knirscht / Warum wir gar keine Diktatur benötigen, und warum wir den wirtschaftlichen Aufprall nicht fürchten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42 vom 16. Oktober 2020

Der Wochenrückblick
Der Ast knirscht
Warum wir gar keine Diktatur benötigen, und warum wir den wirtschaftlichen Aufprall nicht fürchten
Hans Heckel

Es bleibt dabei: Jeder darf seine Meinung frei äußern. Und natürlich darf auch jeder wählen, was er möchte. Er muss dann aber auch mit den Folgen leben. So wie der US-Radsportler Quinn Simmons. Der hat im Netz durchblicken lassen, dass er am 3. November für Präsident Trump stimmen wolle. Prompt warf ihn sein Rennstall hinaus, wegen „spaltender, brandgefährlicher und schädlicher“ Äußerungen. Man unterstütze zwar das Recht auf Meinungsfreiheit, aber man werde „die Menschen für ihre Worte und Taten zur Rechenschaft ziehen“. 

Na also, der wäre auch erledigt. Das Recht auf freie Meinung erinnert in der heute gelebten Form immer mehr an das Recht auf Ausreise, das allen DDR-Bewohnern zustand. Wer es jedoch in Anspruch nahm, von Peter Fechter bis Chris Gueffroy, der musste halt damit rechnen, „zur Rechenschaft gezogen“ zu werden. Oder wie es Margot Honecker aus dem chilenischen Exil einmal ausdrückte: Wer ohne Genehmigung über die Mauer wollte, der wusste ja, worauf er sich einlässt.

Das gilt auch für Michael Beleites. Der Sachse war in den 1980er Jahren einer der Protagonisten der DDR-Umweltbewegung, später Mitbegründer von Greenpeace in der DDR und verdient sein Geld heute mit dem biologischen Anbau und Verkauf von Blumen und Kräutertees.

Allerdings fungierte er auch von 2000 bis 2010 als Stasiunterlagen-Beauftragter des Freistaats Sachsen, was ihm womöglich nachgetragen wird. Nun haben sie ihn endlich. Beleites hat Beiträge veröffentlicht, die zwar inhaltlich niemand moniert, die aber in zwei Zeitschriften erschienen („Tumult“ und „Kehre“), die irgendwie auffällig sind. Klarer Fall für die „VG Verbrauchergemeinschaft Dresden eG“, die daraufhin ihre Geschäftsbeziehungen zu Beleites (und zu seiner Frau gleich mit, Sippe ist Sippe) beendete. Offizielle Begründung? Gibt’s nicht, wozu denn?

PAZ-Autorin Vera Lengsfeld, die uns den Fall bekannt gemacht hat, fürchtet nun um die geschäftliche Existenz von Beleites. Aber der wusste ja schließlich, worauf ... oder nicht? Auch egal.

So wird unsere Republik von Woche zu Woche sauberer. Und auch demokratischer, denn beim Jagen und Denunzieren von Abweichlern darf jeder mitmachen. Sie und ich ebenfalls: Am Verpetzen von Corona-Sündern können Sie schon mal üben, wobei es Ihnen besonders leicht gemacht wird, wenn Sie in Essen wohnen. Die Stadt hat ein eigenes Formular herausgegeben, mit dem wachsame Bürger Verstöße von Mitmenschen gegen die Corona-Regeln melden können. Es geht aber auch freihändig, wie ein Vorbild aus Neuruppin zeigt, wo ein eifriger Bürger eine Urlauberfamilie aus Berlin bei der örtlichen Polizeidienststelle gemeldet hat.  

Hassredner, Spalter und Feinde der Zivilgesellschaft spießen solche Beispiele gern auf, um die Mär zu verbreiten, wir befänden uns auf dem Weg in eine neue Diktatur, eine „DDR 2.0“. Dem ist mit aller Härte entgegenzutreten. Wer behauptet, dass die Freiheit in Deutschland immer kleiner werde, ist ein Feind der Freiheit, dessen Freiheit eine Gefahr für die Freiheit darstellt und daher weg muss.

Zudem ist die Warnung vor der Diktatur völliger Unsinn. Eine solche benötigen wir doch gar nicht mehr, seit Nachbarn ihren Nachbarn streng auf die Finger schauen und klopfen. Diktatur ist nur nötig bei Völkern, die zu einem erheblichen Teil zur Widerspenstigkeit neigen. Bei uns ist das überflüssig, wir passen auf, weil wir gehorchen und Gehorsam fordern.

Zumindest, solange man uns füttert. Zum Glück ist Deutschland ein reiches Land, das Futter ist also gesichert. Nicht nur das: Während andere Länder hart für ihren Reichtum arbeiten müssen, ist der Reichtum der Bundesrepublik eine Art von natürlichem Aggregatzustand, an dem keine Macht der Welt rütteln kann. Deutschland ist reich und wird es immer bleiben.

Deshalb können wir auch unsere Energiesicherheit schwungvoll auf den Müll werfen und unsere industriellen Kerne tottrampeln. Deshalb dürfen wir unsere Sozialausgaben auch jedes Jahr um ein Mehrfaches schneller wachsen lassen als unsere Wirtschaftsleistung und nach Belieben Geld in die Welt streuen. Reich bleibt reich.

Wer an unserem grenzenlosen Reichtum Zweifel hegt, den machen wir platt. So hat es etwa jemand gewagt zu fragen, wie es sein könne, dass arme deutsche Rentner Flaschen sammeln müssen, derweil das reiche Deutschland pro Monat rund 5000 Euro oder mehr für „unbegleitete minderjährigen Flüchtlinge“, kurz MUFL genannt, ausgeben kann. 

Die Methode kennen wir natürlich: Man kommt mit sogenannten Fakten, dabei sind Fakten erwiesenermaßen unmoralisch, wie schon die Statistik über Ausländerkriminalität beweist. Wir entlarven solche Faktenmenschen mit dem moralischen Totschläger, dass sie das Schicksal von Rentnern und geflüchteten Schutzsuchenden schamlos gegeneinander ausspielen.

Das zieht immer, zumal es in Jahrzehnten harter Volkspädagogik gelungen ist, den Deutschen das Wissen über das Wesen von Politik gründlich auszutreiben. Früher wussten wir noch, dass es der Kern jeder Politik sei, Schwerpunkte zu setzen, man könnte auch sagen: Problemfelder und Aufgaben „gegeneinander auszuspielen“. In der Praxis hieß das: Da jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann, muss man sich entscheiden, wofür. Das geht jedem Privatmann auch so, und bei den öffentlichen Geldern hat diese Entscheidung eben die Politik zu treffen. Dabei kümmert sich jede Regierung bei der Schwerpunktsetzung zunächst um die eigenen Bürger, bevor sie den Rest der Menschheit beschenkt.

Sie können es vermutlich kaum noch glauben, aber auf dieser zutiefst unmoralischen Annahme ruhte mal unser ganzes Gemeinwesen. Damals glaubte man auch noch, dass die Qualität der Streitkräfte an ihrer Kampfkraft zu messen sei und nicht an der Durchsetzung der Gender-Maßgaben. Oder dass die Schule breites Faktenwissen zu vermitteln habe statt unserer Werte der „Diversity“. Und dass es das Ziel der Wirtschaft sein müsse, materiellen Mehrwert zu schaffen statt die Welt zu retten.

Aus all diesen Verirrungen haben wir uns befreit. Wegen unseres Reichtums, der uns allerdings auch irgendwie peinlich ist. Er gehört uns nämlich gar nicht, weil unser Wohlstand nicht etwa der Leistung der Deutschen entsprungen sein soll, sondern der Ausbeutung der Dritten Welt! Welchen Anteil Senegalesen oder Somalier am deutschen Wirtschaftswunder genau hatten, konnte indes noch nie so genau ermittelt werden. Experten sprechen von etwa null. Aber das macht nichts. Selbstanklage mögen wir Deutsche. 

Aber was ist, wenn unser Reichtum gar nicht so sicher ist und wir am Ast sägen, auf dem wir sitzen? Stört nicht. Zwar hören wir es schon knirschen am Astansatz. Doch wer noch nie auf dem harten Boden der Realität sitzen musste, den kann der Aufprall nicht schrecken, er kennt den Schmerz schließlich (noch) nicht. Also lasst uns weitersägen.