25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.10.20 / Genehmigungsverfahren / Zügel für den Amtsschimmel / Während die Politik Tesla den Rote Teppich ausrollt, leiden Kleinbetriebe unter der Bürokratie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43 vom 23. Oktober 2020

Genehmigungsverfahren
Zügel für den Amtsschimmel
Während die Politik Tesla den Rote Teppich ausrollt, leiden Kleinbetriebe unter der Bürokratie
Norman Hanert

Während der neue Großflughafen BER nun erst mit neun Jahren Verspätung an den Start geht, gilt das Tesla-Werk in Grünheide als schnellste Großbaustelle Deutschlands. Tesla greift für das hohe Tempo auf vorzeitige Baugenehmigungen für einzelne Abschnitte zurück, obwohl die komplette umweltrechtliche Genehmigung des Projekts noch aussteht. Damit laufen Genehmigungsverfahren und Bau nicht nacheinander, sondern parallel. Auf diese Möglichkeit hat bereits der Papierhersteller Leipa bei seiner 164-Millionen-Investition in Schwedt an der Oder zurückgegriffen.

Durchaus privilegiert kann sich das kalifornische Unternehmen durch den politischen Rückenwind fühlen. Im Mai wurde in der Potsdamer Staatskanzlei eine Arbeitsgruppe gegründet, die Planung, Bau und Inbetriebnahme der „Gigafactory“ in Brandenburg unterstützen soll: „Es ist klarer gemeinsamer Wille, dass das Projekt nicht nur gelingt, sondern schnell an den Start gehen kann“, so der SPD-Regierungschef Dietmar Woidke. Auch in der Region haben sich Kommunalpolitiker in einer Steuerungsgruppe zusammengesetzt, um für die Tesla-Ansiedlung den notwendigen Ausbau der Verkehrswege und den Bau von Wohnungen zu koordinieren.

Realsatire um einen Suppenladen

Im Kontrast zu dieser Unterstützung für das Großprojekt stehen leidvolle Bürokratie-Erfahrungen, die kleine Firmen und Existenzgründer zuweilen in Brandenburg machen müssen. Eine besonders bizarre Amtsposse im märkischen Oranienburg nördlich von Berlin sorgte vor zwei Jahren sogar für derart viel Aufmerksamkeit, dass die NDR-Satiresendung „Extra-Drei“ Interesse zeigte. Ausgangspunkt der Realsatire war der Plan zweier Geschäftspartner, einen Suppenladen zu eröffnen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ladengeschäft wurden die beiden in Bahnhofsnähe fündig.

Dort stand in einem Geschäftshaus scheinbar ein passender Laden leer. Fördermittel der EU ermöglichten den Umbau zu einem Schnellrestaurant. Nur wenige Wochen vor der geplanten Eröffnung machte jedoch die Kreisbaubehörde einen Strich durch die Pläne: Aufgefallen war der Behörde, dass die zum Gastronomiebetrieb umgebauten Räume zuvor als Dessous-Geschäft genutzt worden waren. Im Amtsdeutsch lag eine Nutzungsartenänderung vor, und aus Sicht der Bauaufsichtsbehörde war damit auch eine neue „Kampfmittelfreiheitsbescheinigung“ fällig. 

Damit nicht genug: Die Behörde verlangte diesen Nachweis nicht nur für den gemieteten Laden, sondern gleich für das gesamte Grundstück. Zwar war das Terrain bereits vor dem Bau des Hauses im Jahr 1992 vom Kampfmittelräumdienst komplett abgesucht worden, die Baubehörde wollte die alte Bescheinigung jedoch nicht anerkennen. Nach einer monatelangen Hängepartie erhielten die Unternehmer schließlich doch noch grünes Licht, ihr Lokal zu eröffnen: mit Stehtischen und Hockern – aber ohne Sitzbänke für die Gäste. Basis dieser Lösung war eine alte Baugenehmigung für einen „Backshop“, der in dem Laden vor Jahren existiert hatte. Die Notlösung erlaubte den beiden Gründern, endlich loszulegen, auch wenn die ursprüngliche Geschäftsidee teilweise auf der Strecke blieb. 

Unsinniger Formalismus

Unter der Bürokratie-Posse litt auch das Ansehen der Bauaufsichtsbehörde: Diese hatte offenbar schon bei früheren Bauanträgen versäumt, sich eine Kampfmittelfreiheitsbescheinigung vorlegen zu lassen. Obendrein machte der schließlich gefundene Kompromiss deutlich, welcher Formalismus zuweilen hinter Vorschriften und Behördenentscheidungen steckt. Folgt man der Logik der ausgehandelten Lösung, dann geht von etwaig noch immer vorhandenen Weltkriegsblindgängern nur eine Gefahr aus, wenn die Gäste des Lokals ihre Suppe im Sitzen auslöffeln, während bei einem stehenden Verzehr das Restrisiko in die Luft zu fliegen, gebannt scheint. 

Die Oranienburger Amtsposse leistete immerhin einen Beitrag dazu, dass der Brandenburger Landtag in diesem Frühjahr eine Neureglung der Bauordnung auf den Weg gebracht hat. Antragsteller sind damit bei Nutzungsartenänderung in bestehenden Gebäuden unter bestimmten Voraussetzungen von einer Nachweispflicht über eine Kampfmittelfreiheit entlastet. Doch von Privilegien wie für Tesla können Klein- und Mittelbetriebe weiterhin nur träumen.