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23.10.20 / Völkerkundliche Sammlungen / Der Rückgabe-Eifer kennt keine Bedenken mehr / Objekte werden an die Herkunftsländer übergeben – was dort mit ihnen geschieht, interessiert nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43 vom 23. Oktober 2020

Völkerkundliche Sammlungen
Der Rückgabe-Eifer kennt keine Bedenken mehr
Objekte werden an die Herkunftsländer übergeben – was dort mit ihnen geschieht, interessiert nicht
Erik Lommatzsch

„Wird Radebeul nun ein Skalp abgezogen?“, fragte die „Frankfurter Allgemeine“ im Frühjahr 2014. Das Karl-May-Museum in der sächsischen Stadt hatte ein Schreiben der nordamerikanischen Ojibwa-Indianer erhalten. Die Rückgabe eines Skalps aus den Beständen des Hauses wurde gefordert. Dessen Zurschaustellung sei „respektlos, beleidigend und unverschämt“. 

Das Museum teilte damals mit, der Skalp – einer von mehreren hier vorhandenen – sei 1904 durch den späteren Museumsmitbegründer Patty Frank dem Stamm „ordentlich abgekauft“ worden. Respektlosigkeit liege gerade nicht in der Absicht der Ausstellung. Indianische Besucher hätten sich positiv geäußert, Beschwerden habe es bislang nicht gegeben. Die zu dieser Zeit amtierende Direktorin Claudia Kaulfuß ließ wissen, man zeige „die Geschichte der Indianer und ihrer Kultur“, das „Skalpieren als religiöses Ritual gehört dazu“. Informiert werde auch darüber, dass erst Weiße kommerzialisierte Jagd auf Skalps gemacht hätten. Rückgabeforderungen erteilte Kaulfuß eine klare Absage. 

Skalp an Indianer überreicht

Im Herbst 2020 stellen sich die Dinge anders dar. Nun soll der Skalp den Ojibwa-Indianern zurückgegeben werden. Laut „JUNGE FREIHEIT“ berät man „derzeit darüber, wie das Vorhaben umgesetzt werden könne“, der Prozess sei aufwendig. 

Mit seinem Vorhaben liegt das Karl-May-Museum im Trend. Andere völkerkundliche Sammlungen in Deutschland haben bereits damit begonnen, Objekte zurückzugeben. So wurden beispielsweise 2017 aus Dresdner Beständen menschliche Gebeine, die um 1900 dorthin gelangt waren, wieder nach Hawaii gebracht. Ende 2019 wurden im Rahmen einer feierlichen Zeremonie in Leipzig Überreste von australischen Ureinwohnern übergeben, die einst Bestandteile einer „Skelettgalerie“ des Museums für Völkerkunde der Stadt waren. 

Ein Kulturbotschafter der Aborigines sagte, es sei „gut, hier zu sein, damit wir unsere Ahnen mit nach Hause nehmen“. Dies war nicht die erste Rückgabe des Landes Sachsen an Australien. Und auch anderswo grassiert der Rückgabe-Eifer. Das Berliner Ethnologische Museum will demnächst mumifizierte Maori-Köpfe mit Gesichtstätowierungen an Neuseeland übergeben. 

Rückführung um jeden Preis 

Das Ganze ist nicht auf menschliche Überreste beschränkt. Anfang vergangenen Jahres wurden eine Bibel sowie eine Peitsche, die sich seit 1902 im Stuttgarter Linden-Museum befanden, nach Namibia gebracht. Die Gegenstände stammen aus dem Besitz des afrikanischen Clan-Führers Hendrik Witbooi (um 1830–1905). 

Die Frage, was mit den Dingen passiert, nachdem sie abgegeben wurden, ist durchaus präsent. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat in einem entsprechenden ARD-Beitrag etwas ausweichend darauf hingewiesen, dass sie in der „Museumswelt“ ein „Fürsorgepflichtgefühl“ für das „Menschheitskulturerbe“ beobachte, was auf Vorbehalte der Politikerin zumindest gegenüber einer Rückführung um jeden Preis schließen lässt. 

Ganz anders der Verfasser des Buches „Unser Raubgut“, Moritz Holfelder, im selben Beitrag, der meinte, wenn ein Auto gestohlen worden sei, müsse es ja auch dem Besitzer zurückgegeben werden, „egal, was der dann mit dem Auto macht“. Dies entspricht der derzeit praktizierten Linie der deutschen Museen.