20.04.2024

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23.10.20 / Sehenswert / Stettin – Juwel im Herzen Pommerns / Touristische Stippvisite beim polnischen Nachbarn an der Oder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43 vom 23. Oktober 2020

Sehenswert
Stettin – Juwel im Herzen Pommerns
Touristische Stippvisite beim polnischen Nachbarn an der Oder
Peer Schmidt-Walther

Stettin. Nicht nur wenn es Strippen gießt, auch bei Sonnenschein quellen unsere vorpommerschen Innenstädte regelrecht über – vor Touristen und Blech. Das ist gut fürs Geschäft, keine Frage, aber als Einheimischer gerät man da schnell zur Minderheit und verkriecht sich in die vier Wände. Da fragt man sich, ob es nicht noch Alternativen gibt. Ja, die gibt´s, zwar im Ausland, aber doch ganz „dichte bi“ und wesentlich preiswerter. Wie wär´s da zum Beispiel mit Stettin? Gerade mal gut zwei Stunden Autofahrt von Stralsund – entgegen dem allgemeinen Strom zur Küste – oder ein bisschen mehr per Bahn entfernt. Man verhält sich damit quasi antizyklisch. Klar, da pilgern auch Touristen auf ihren Sightseeing-Pfaden, aber in der Fast-Halbmillionenstadt verlaufen die sich auf angenehme Art.

Engere Kooperation

Ein Wochenende wäre gut, aber man kann auch in kürzerer Zeit einen guten Überblick gewinnen und dann irgendwann vertiefen. Wer im Internet zu Hause ist, wird unter www.visit.szczecin.eu oder www.visit.westpomerania.eu einige Angebote für ein attraktives Kurzprogramm finden. Die Macher in der dynamischen Oder-Stadt haben sich auf die Fahnen geschrieben vor allem auch junge Leute verstärkt anzulocken. Die größte Stadt des heutigen Nordwestpolens und frühere Hansestadt und pommersche Landeshauptstadt ist zwar schon über 700 Jahre alt, aber macht einen jungen Eindruck, wozu die rund 20.000 Studenten von drei Universitäten nicht unwesentlich beitragen. Konrad Guldon, der 40 Jahre junge Chef des polnischen Fremdenverkehrsamtes in Berlin, hat sich auch in Stralsund umgesehen, „denn man kann nur dazulernen, weil Tourismus grenzübergreifend ist“, meint er, „wie man an der florierenden deutsch-polnischen Euroregion Pomerania sieht“. Was er sich von einer engeren Kooperation erhoffe? „Wir müssen auch mehr junge Leute dazu motivieren, Polen als ein noch preiswertes  Reiseland mit großem Naturpotenzial zu erkennen“. Außerdem sollten Vorurteile abgebaut werden, meint er, „denn unser Land ist sicher, schnell erreichbar und tourismusfreundlich“. 

Die stärksten TOP 12

Der uralte Spruch von der „polnischen Wirtschaft“ greift hier schon lange nicht mehr. Das ist auch abzulesen an der „hohen Zahl von Start-up-Unternehmen, besonders in der künstlerischen und IT-Branche, die wie Pilze aus dem Boden schießen“, weiß Dr. Artur Pomianowski (34), Direktor des Tourismus-Büros von Stettin und West Pomerania. Er legt besonderen Wert auf die vielen Angebote vor allem für junge Leute. Sein praktisches, gut gestaltetes und übersichtliches Faltblatt „Willkommen in Stettin!“ führt unter „TOP 12“ die für sie stärksten Höhpunkte in Stettin auf, die neugierig machen: von „Los geht´s!“ bis hin zur Frage „Liegt Stettin am Meer“. Ein Feuerwerk von Möglichkeiten und Anregungen. Die handliche Broschüre „Szczecin – die schönsten Plätze“ ist ein sehr praxisbezogener Reiseführer mit allem unbedingt Sehenswerten wie zum Beispiel Pommernschloss, Jakobikirche, Rotes Rathaus und Neustadt, Hakenterrasse und Philharmonie; ebenso wie die Broschüre „Eine Region für Dich“, die einem das nähere und weitere Umland schmackhaft macht. Dr. Artur Pomianowski kann das alles auf Anfrage zuschicken: info@zrot.pl Sein Disco-Tipp – es gibt rund 20 in der Stadt, die aber wegen Corona teilweise geschlossen sind – ist übrigens „Wyspa Grodzka“ in der Nähe der City Marina. 

Werften-Krise bekämpfen

Dort trifft man auch Zbgniew Jagniatkowski auf seiner schnittigen 15-Meter-Motoryacht „Kuba“. Der fitte 72-jährige ehemalige Kapitän und Weltumsegler ist nicht nur Präsident des Seglerverbands West Pomerania, sondern auch Chef der Stettiner Reparaturwerft JPP Marine. Während einer Fahrt über die Ostoder und den Dammschen See mit seinem deutschen Betonfrachter-Wrack von 1945 nach Ziegenort am Stettiner Haff kommt er auch auf die M-V-Werften-Krise zu sprechen. Er meint, „wenn Chinas Werften staatlich subventioniert werden, um mit Dumpingpreisen den Markt zu ruinieren, sollten wir als europäische Schiffbauer verstärkt kooperieren und damit kontern. Solche Schiffe haben einen höheren Wert als die fernöstlichen und würden dann auch eher geordert werden. 

Deutsch-Polnisches

Übrigens: Mit der langen deutschen Geschichte haben die heutigen Stettiner kein Problem. Im Gegenteil, sie sind sogar stolz darauf, auch auf deutsche Wurzeln und Kultur. Es ist nun mal eine Grenzregion mit vielen Überschneidungen und Gemeinsamkeiten. Im nur zehn Kilometer entfernten Löcknitz wird deutsch-polnisches Zusammenleben schon seit Jahren aktiv praktiziert, sogar in einem zweisprachigen Gymnasium und vielen Polen als neue Häuslebauer-Einwohner. Junge Leute sind hier schon längst mangels Arbeit abgewandert.

Vergangenheit erlebt man zum Beispiel in den Backstein-Gewölben Kellerkneipe „Wyszak“ unter dem Alten Rathaus am wunderschönen Heumarkt mit seinen hervorragend restaurierten Bürgerhäusern. An schönen Sommerabenden, wie wir sie erlebt haben, trifft sich hier, auch in den vielen urigen Kneipen und Cafés rings um den Platz, halb Stettin, um das selbst gebraute Bier zu leckeren polnischen Piroggen und Suppen zu genießen. Stettin lebt und entwickelt sich rasant wie einst.