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23.10.20 / Der Wochenrückblick / Härtetest / Was Politiker eigentlich wollen, und warum wir die Chance der Krise jetzt nutzen müssen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43 vom 23. Oktober 2020

Der Wochenrückblick
Härtetest
Was Politiker eigentlich wollen, und warum wir die Chance der Krise jetzt nutzen müssen
Hans Heckel

Allein das Wort „Risikogebiet“ macht schon richtig Stimmung. Es fühlt sich an wie Bagdad, Mogadischu oder die Schlachtfelder von Bergkarabach, dabei meinen unsere Politiker und Staatsvirologen damit in Wahrheit Bad Reichenhall. 

Aber egal, was es ist, auf jeden Fall ist es völlig falsch, wieder hamstern zu gehen, wie es eine wachsende Zahl von Bundesbürgern offenbar schon tut. Politiker haben dafür kein Verständnis, was unsereiner nun wieder nicht versteht. Die Politiker und Staatsvirologen orakeln doch selber ständig von einem „langen dunklen Winter“, von „Weihnachten im Lockdown“ und von apokalyptischen Ansteckungsraten, die uns vor die „größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“ stellen. Kurzum, sie erzählen uns, dass wir am Rande einer gigantischen Katastrophe stehen. 

Und was machen viele Deutsche? Sie reagieren genau so, als stünden sie am Rande einer gigantischen Katastrophe: Sie decken sich mit allem ein, von dem sie glauben, es könnte in der Katastrophe knapp werden. Aber genau das sollen sie nicht, weil sie sich, so Kanzleramtschef Helge Braun, „keine Sorgen machen müssen“.

Es ist nicht einfach, die Wünsche von Politikern zu deuten, die einerseits alles tun, um Panik zu schüren, um nur einen Satz später schon wieder Sorglosigkeit zu predigen. Was wollen die denn nun? 

Das ist relativ einfach zu beantworten. Es ist das, was Politiker immer wollen: eine gute Figur machen. Markus Söder ist um seine Figur besonders bemüht. Daher will er in Sachen Corona rasch viele Kompetenzen von den Ländern auf den Bund übertragen. Für ihn könnte diese Corona-Sache nämlich noch gefährlich werden.

Söders Sorge dreht sich um einen etwas irritierenden Umstand. Der Freistaat des schneidigen Ministerpräsidenten weist so ziemlich die miesesten Corona-Testdaten in Deutschland aus. Der Mann, der den starken Macher markiert und mit steilen Ratschlägen oder strengen Ermahnungen ganz Deutschland beeindrucken will, sitzt also im Glashaus. Eine heikle Sache, über welche die geneigten Medien derzeit noch milde hinwegblicken. Das könnte sich aber ändern, und dann? Bis dahin sollte die Verantwortung schleunigst nach Berlin abgeschoben werden. Wenn die Kurve der Positivtests dann weiter nach oben zeigt, darf Söder im Brustton der Empörung das „Versagen in Berlin“ anprangern, unter dem seine bayerische Heimat ganz besonders zu leiden habe. Söders Figur würde funkeln und blinken in der Pracht des knallharten Anklägers, der diesen Knalltüten in Berlin nichts, aber auch gar nichts durchgehen lässt. Die Deutschen würden ihn dafür lieben und die Eroberung des Kanzleramts rückte für ihn in greifbare Nähe. 

Wir sollten uns jedoch nicht zu früh freuen. Der Wind, der die Segel der Söders, Wielers oder Drostens derzeit so prachtvoll bläht, könnte unversehens drehen. Noch ist es nicht so weit, aber das Tiefdruckgebiet der Spielverderber gewinnt an Kraft: Mehr und mehr Wissenschaftler und Mediziner mäkeln am eingeschlagenen Anti-Corona-Kurs herum, der unverdrossen in Richtung von noch mehr Zwang und Strafe, Kontrolle und Kriminalisierung weist. 

Man solle stattdessen gezielt besonders gefährdete Gruppen schützen und dem Leben der Anderen seinen freien Lauf lassen, fordert eine Gruppe von Wissenschaftlern, Kassenmanagern und Medizinern um den bekannten Gesundheitsökonomen Gerd Glaeske: „Es überwiegt der Eindruck, dass die Verantwortlichen auf den immergleichen Vorgehensweisen beharren und Maßnahmen sogar noch verstärken, an deren Wirksamkeit und Akzeptanz es aus wissenschaftlicher Sicht größte Zweifel geben muss“, kritisieren die Fachleute in ihrem gemeinsamen Papier.

Ja, die Zweifel. Wir hatten ja schon mal hier erwähnt, wie Charité-Drosten vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages Anfang September fallen ließ, dass es keinerlei Beweis für die Wirksamkeit der Alltagsmasken gebe. Sie zu tragen entspringt also eher einem frommen Glauben. Zu unserer Erleichterung ging Drostens Erkenntnis vollkommen spurlos unter – wie es aussieht, auch bei Drosten selbst.

Aber das könnte anders werden, weshalb umgehend gehandelt werden muss, um die Früchte der Corona-Krise rechtzeitig zu ernten, bevor die Krise unter einem Kurswechsel verwelkt. Wie immer geht es bei der Ernte natürlich um Geld und Macht.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Dringlichkeit erkannt und will Pflöcke einschlagen, bevor die Chance vorübergezogen ist. Der gigantische „Corona-Aufbaufonds“ der EU von 750 Milliarden Euro solle nicht nur einmal fließen, sondern als dauerhaftes Instrument erhalten bleiben, damit man ihn wieder verwenden könne, „wenn ähnliche Umstände eintreten“.

In Lagardes Worten schwingt vermutlich eine gewisse Melancholie mit, wenn die Französin an all die verpassten Chancen denkt: SARS, Vogelgrippe oder die regelmäßigen Grippewellen – viel zu viele „ähnliche Umstände“ haben wir tatenlos verstreichen lassen, statt sie dafür zu nutzen, den Steuerzahlern der EU-Geberländer kraftvoll die Taschen zu leeren. Das soll sich nicht wiederholen.

Nützen solche Finanzspritzen den Empfängern eigentlich? Unwahrscheinlich. Schon die jahrzehntelangen EU-Strukturhilfezahlungen haben vor allem Abgreifer-Syndikate gemästet. Die Euro-Einführung hat in den Südländern ein teures Strohfeuer entfacht, das in der Finanzkrise verpuffte und in dessen Asche die Volkswirtschaften von Spanien, Griechenland oder besonders Italien seit einem Jahrzehnt immer tiefer versinken. 

Wie eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, ist der Abstand zwischen „reichen“ und „armen“ EU-Staaten im Zuge der Milliardenhilfen der vergangenen Dekade nicht geschrumpft, sondern kräftig gewachsen. Der „Corona-Aufbaufonds“ dürfte diesem bemerkenswerten Trend weiteren Schub verleihen.

Ob die alle noch ganz dicht sind? Gute Frage. Aber wen kümmert das? Denn ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Eine Methode, die stramm durchgehalten wird. Etwa bei den Corona-Maßnahmen, wie die Experten um Glaeske aufdecken: Wenn die Maßnahmen nichts bringen, verschärfen wir sie eben. So halten wir es auf allen Politikfeldern. Wenn die Einwanderung auf dem Felde der Integration immer offensichtlicher scheitert, lautet die Forderung: mehr Einwanderung! Wenn die Energiewende schiefgeht: mehr Energiewende! Und seitdem klar wurde, dass der Euro eine Missgeburt wurde, sind sich alle Herrschenden einig, was zu tun ist: mehr Macht für die EZB und mehr Geld für die Rettung des Euro!

Wer wohl einst die Geschichte des zeitgenössischen Europa entschlüsseln wird? Die Historiker der Zukunft eher nicht, die dürften damit heillos überfordert sein. Diese Aufgabe wird eher als Härtetest an sturmerprobte Psychiater vergeben werden.