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30.10.20 / Digitalisierung / Über Schule und Beruf werden die Alten vergessen / Bremer Wissenschaftler fordert 330.000 Tablet-PCs für Seniorentreffs und Seniorenheime

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Digitalisierung
Über Schule und Beruf werden die Alten vergessen
Bremer Wissenschaftler fordert 330.000 Tablet-PCs für Seniorentreffs und Seniorenheime
Norman Hanert

Die Corona-Pandemie hat sich zum Beschleuniger der Digitalisierung aller Lebensbereiche entwickelt. Durch die Kontaktbeschränkungen sind Videosprechstunden für Ärzte und Patienten gleichermaßen so selbstverständlich geworden wie die Corona-Warn-App für das Mobiltelefon und digitaler Schulunterricht. Für den Bereich des Gesundheitswesens geht der Leiter der Denkfabrik hih des Bundesgesundheitsministeriums, Jörg Debatin, davon aus, dass die besonderen Versorgungsbedingungen während der Corona-Pandemie zu einem digitalen Fortschrittssprung von drei bis fünf Jahren geführt haben. Auch im Kulturleben treibt die Pandemie die Digitalisierung voran. Um interessierten Bürgern überhaupt weiterhin zur Verfügung zu stehen, setzen Kultureinrichtungen verstärkt auf virtuelle Museumsausstellungen sowie auf Konzerte und Literaturlesungen, die über das Internet übertragen werden. 

Kritik an Missachtung der Senioren

Schon vor der Corona-Pandemie priesen Politiker, Forscher und Unternehmen die zunehmende Digitalisierung auch als Chance an, älteren Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe bis ins hohe Alter zu ermöglichen. Oft übersehen wird dabei, dass die Digitalisierung von immer mehr Lebensbereichen auch eine Kehrseite hat. Millionen ältere Menschen müssen nämlich zusehen, wie sie mit den im Alltag um sich greifenden Digitalangeboten zurechtkommen. Gerade in der älteren Generation sind Berührungsängste und Sicherheitsbedenken im Umgang mit dem Internet ein Problem. Je höher das Lebensalter, desto höher ist zudem die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt kein Internetzugang vorhanden ist. 

Herbert Kubicek, Direktor der Stiftung digitale Chancen, beschäftigt sich bereits seit Jahren mit der Frage, wie sich Menschen nach Ausbildung und Arbeitsleben in der dritten Lebensphase mit der Digitalisierung zurechtfinden. Nach Einschätzung des Informatikers bleiben in Deutschland 20 Millionen ältere Menschen bei der Digitalisierung auf der Strecke. Die Zahl derjenigen Senioren, die generell kein Internet nutzen oder gar keinen Internetzugang haben, könnte sich auf zehn Millionen belaufen. Mindestens weitere zehn Millionen im Rentenalter müssten als „gelegentliche Minimalnutzer“ des Internets angesehen werden. Diese könnten die Chancen der Digitalisierung ohne Unterstützung nicht nutzen. Besonders betroffen sei dabei die Altersgruppe der über 70-Jährigen. Bei abnehmender Mobilität wären aber gerade für sie digitale Angebote besonders hilfreich, etwa in der Telemedizin. In der Realität würden aber gerade schwierigere Digital-Anwendungen mit zunehmendem Alter seltener genutzt. Trotz der hohen Zahl betroffener Senioren ignoriere die Politik das Thema bislang weitgehend. Priorität habe für Bund und Länder bislang vor allem, mit Milliardenbeträgen die Digitalisierung der Schulen in Deutschland voranzutreiben.