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30.10.20 / Samuel Paty / Enthauptung schockt Frankreich / Lehrer-Mord führt zu neuen, bitteren Erkenntnissen – Der IS meldet sich über die sozialen Medien zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Samuel Paty
Enthauptung schockt Frankreich
Lehrer-Mord führt zu neuen, bitteren Erkenntnissen – Der IS meldet sich über die sozialen Medien zurück
Bodo Bost

Die Enthauptung des Mittelschullehrers Samuel Paty durch einen Moslem in Frankreich hat mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass der Islamische Staat (IS) nicht besiegt ist, sondern in den sozialen Medien weiterlebt. Denn die Tat ist in Facebook und Co. vorbereitet worden und weniger in den muslimischen Subkulturen, die es in Frankreich schon vor dem IS gab und die andere Ursachen haben. 

Deshalb wäre Frankreich gut beraten, sich auf den Kampf gegen diese islamische Subkultur in den sozialen Medien zu konzentrieren und nicht mit dem Vorschlaghammer auf die muslimisch geprägten Vorstädte, die Banlieues, draufzuschlagen. Dort gibt es zwar auch Probleme, aber die haben nicht nur mit dem Islam zu tun, sondern sind zum großen Teil selbst verschuldet und sozialer Natur. 

Frankreich hatte durch seine koloniale Vergangenheit vor allem in Nordafrika sehr früh mit dem radikalen Islam zu tun. Denn bereits der Freiheitskampf in Algerien wies radikale Züge eines politisch instrumentalisierten Islam auf. Durch die Rückkehr der Algerien-Franzosen und Kollaborateure nach 1962 sind die ersten Banlieues entstanden, viele davon direkt an der deutschen Grenze. 

Täter postete Tatortfotos

Frankreich blieben zunächst große Terroranschläge erspart, weil es sich im Gegensatz zu Spanien oder Großbritannien nicht an dem US-Krieg gegen den radikalislamischen Terror beteiligte. Mit dem Bürgerkrieg in Syrien veränderte sich allerdings die Lage. Frankreich wurde das erste Land Westeuropas, das sich aktiv an der Bekämpfung des IS an der Seite der USA in Syrien beteiligt hat. Später weitete es seinen Antiterrorkampf sogar auf die Sahelzone aus. 

Seit 2015 ist Frankreich das am härtesten vom IS-Terror getroffene Land in Europa mit mehr als 250 Terroropfern, darunter denen der Anschläge von 2015 auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und das Kulturzentrum Bata­clan. Das Land wurde auch Spitzenreiter in der EU-Statistik an ausländischen Terrorkämpfern des IS: Von rund 10.000 Personen, die sich dem IS aus Europa angeschlossen haben, stammen allein 1700 aus Frankreich. 

Nach der Niederlage des IS in Syrien und dem Irak im Jahr 2019 und dem Tod vieler Führungspersonen verlagerte der IS seine Aktivitäten, wie zu Beginn, wieder ins Internet. So entstand eine neue Subkultur des Dschihad in den sozialen Medien. Das beweist auch das jüngste Attentat auf den Lehrer in der Kleinstadt Conflans-Sainte-Honorine bei Paris.

Der tschetschenische Täter postete Fotos und einen Bekennertext noch am Tatort auf Twitter, bevor er sich vom Tatort entfernte, so wichtig war ihm das Internet. Sein Bekennertext war ähnlich denen, die während der IS-Herrschaft in Syrien gepostet wurden. Damals wurden Geiseln vor laufenden Kameras erschossen, aber ebenfalls wie diesmal als „Hunde“ bezeichnet. Der Terrorist von Conflans wollte vor seinem Tod noch Ruhm und Anerkennung erhalten. Deshalb bediente er noch vor seinem Tod die Dschihad-Subkultur. Wenn man also diesen Terror bekämpfen will, muss man sie dort bekämpfen, wo sie ihren Ursprung hat, nämlich in den sozialen Medien. 

Comeback der Dschihad-Subkultur

Auch auf dem Twitter-Konto des Attentäters fanden sich, wie man nach der Tat feststellte, Enthauptungs-Videos, ohne dass der Täter auffällig geworden wäre, wie es aus Polizeikreisen hieß. Aber gerade diese grausamen Videos hätten bemerkt werden müssen. Auch dass in sozialen Medien immer noch konkrete Anweisungen zum Einsatz von Messern als Terrorwaffen kursieren, trotz zahlreicher Appelle auf Twitter, die entsprechenden Konten zu deaktivieren, ist eine grobe Nachlässigkeit, die sich in ständig steigenden Messerattentaten manifestiert.

Nach dem militärischen Ende des IS erleben wir eine Renaissance der IS-Dschihad-Subkultur in den sozialen Medien, nachdem sie in den letzten Jahren von Twitter, Facebook und sogar Telegram fast verschwunden war. Diese Entwicklung ist hochgefährlich. Bei jeder passenden Gelegenheit, wie etwa der endlosen Kontroversen um die Mohammed-Karikaturen, kann sie hochkommen und die Spaltung der Gesellschaft durch provozierte Stigmatisierung der Muslime vorantreiben, was das Hauptziel des IS ist.

In Frankreich hatte man trotz ständig wiederkehrender Terrorakte diese Entwicklung ignoriert. Mit pauschalisierenden Verurteilungen des Islam und muslimischer Subkulturen, wie sie Macron in seiner Separatismus-Rede vor drei Wochen betrieben hat, gewinnen Terrororganisationen Anhänger, gerade unter männlichen Jugendlichen, die sich beweisen wollen. Das sollte vermieden werden und stattdessen eine frühzeitige Erkennung der Bedrohung in den sozialen Medien Priorität haben. Israel praktiziert dies schon seit Jahren und hat die Anschlagszahlen damit in den Griff bekommen. 

Der Kampf gegen den Terror muss weitergeführt werden, vor allem online. Aber die als separatistisch bezeichneten Parallelgesellschaften sollten außen vor bleiben, denn die haben andere Gründe.