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30.10.20 / Nordzypern / Amtierender Präsident überraschend abgewählt / Mithilfe Erdogans hat der Türkei-freundliche, nationalkonservative Herausforderer Ersin Tatar die Stichwahl gewonnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Nordzypern
Amtierender Präsident überraschend abgewählt
Mithilfe Erdogans hat der Türkei-freundliche, nationalkonservative Herausforderer Ersin Tatar die Stichwahl gewonnen

Ersin Tatar hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in der nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ) gewonnen. Nachdem alle Stimmzettel ausgezählt waren, lag der von Ankara unterstützte Ministerpräsident und Vorsitzende der nationalkonservativen Nationalen Einheitspartei (UBP) mit 51,74 Prozent der Stimmen vor dem Amtsinhaber Mustafa Akinci mit 48,26 Prozent, wie offizielle Medien berichteten. Tatar, der eine stärkere Bindung Nordzyperns an die Türkei befürwortet, hatte im ersten Wahlgang 32,5 Prozent der Stimmen erhalten, dicht gefolgt von Akinci mit 29,84 Prozent. Der drittplatzierte Tufan Erhürman, der 20 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, und der mit fünf Prozent fünftplatzierte Rauf Denktas hatten ihren Anhängern empfohlen, für Akinci zu stimmen, was mathematisch für einen einfachen Sieg des Sozialdemokraten gereicht hätte. Akinci ist jedoch 2019, als er offen den türkischen Einmarsch in Nordsyrien kritisierte, beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ungnade gefallen. 

In einer Siegesrede an seine Anhänger bedankte sich Tatar, der im Wahlkampf die offene Unterstützung des türkischen Staatschefs erhielt, zunächst bei diesem: „Wir verdienen unsere Souveränität. Wir kämpfen jetzt um unsere Unabhängigkeit als Türkische Republik Nordzypern.“ Tatar will jetzt einen zweiten Zypernstaat in die EU führen, obwohl das derzeitige EU-Mitglied Zypern die gesamte Insel in der EU vertritt. 

Anfang dieses Monats hatte Erdogan die seit 1974 von türkischen Truppen besetzte Stadt Varoscha der nordzyprischen Verwaltung übergeben.  Mit der Überlassung des bisherigen militärischen Sperrgebietes an der innerzyprischen Demarkationslinie hat der türkische Präsident Tatar den unerwarteten Sieg geschenkt. So erhielt Tatar im ostzyprischen Famagusta, an dessen Stadtrand Varoscha liegt, 70 Prozent aller Stimmen. Mit der Überlassung von Varoscha, dem einstigen Touristenzentrum ganz Zyperns, das seit 1974 zu einer Geisterstadt geworden war, an die TRNZ wollte Erdogan die Vereinigung der beiden Inselhälften unmöglich machen. Die Stadt galt bisher als Verhandlungsmasse für etwaige Lösungsansätze der Zypernfrage. Mit der endgültigen Übergabe von Varosha ist der Zypernkonflikt auf Dauer unlösbar geworden. 

Nach der Teilung der Insel 1974 und der Ausrufung der Türkischen Republik Nordzypern, hatte es all die Jahre über immer wieder Verhandlungen über eine Wiedervereinigung gegeben. Optimisten mögen die Hoffnung hegen, dass, wenn es doch möglich war, das zwischen der Freien Welt und dem Sozialistischen Lager aufgeteilte Deutschland wiederzuvereinen, und Griechenland und die Türkei doch Partner in der NATO sind, auch eine Wiedervereinigung Zyperns möglich sein müsste. Allerdings ist anders als beim damals zu Ende gehenden Ost-West-Konflikt beim Zypernkonflikt bisher keine Seite derart geschwächt, dass eine Lösung in greifbarer Nähe erscheint.B.B.