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30.10.20 / Leitartikel / Verfassungswidrig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Leitartikel
Verfassungswidrig
René Nehring

Wieder einmal hat ein deutsches Verfassungsgericht ein Lieblingsprojekt rot-rot-grüner Ideologen gekippt. Am Freitag vergangener Woche entschied das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, dass das im Januar 2019 beschlossene sogenannte Paritätsgesetz, das die Parteien verpflichten sollte, bei der Aufstellung ihrer Kandidatenlisten für künftige Wahlen zum brandenburgischen Landtag Frauen und Männer gleichermaßen abwechselnd zu berücksichtigen, verfassungswidrig ist. Geklagt hatten die Landesverbände, beziehungsweise einzelne Mitglieder von AfD, Jungen Liberalen, NPD und Piraten. 

Zur Begründung erklärten die Richter nach Beratung der Anträge von AfD und NPD, das Paritätsgesetz würde die Organisations- und Programmfreiheit, die Wahlvorschlagsfreiheit und letztlich die Chancengleichheit der Parteien verletzen. Zudem liege dem Demokratieprinzip der Verfassung des Landes Brandenburg der Grundsatz der Gesamtrepräsentation zu Grunde, wonach die Abgeordneten dem ganzen Volk und nicht etwa einem Wahlkreis, einer Partei oder einer Bevölkerungsgruppe gegenüber verantwortlich sind. Diesem Verständnis widerspreche die Idee, dass das Parlament die Bevölkerung in ihren vielfältigen Schichten widerspiegeln soll. Nicht zuletzt ergebe sich aus der Verfassung, dass die Willensbildung des Volkes mit Hilfe der Wahlen frei von staatlicher Einflussnahme zu erfolgen und der Staat sich in Bezug auf das Wahlergebnis jeglicher Vorgaben zu enthalten habe.

Auch in Thüringen hatte die dortige rot-rot-grüne Landesregierung im vergangenen Jahr ein Paritätsgesetz verabschiedet – und auch dort wurde es (bereits im Juli dieses Jahres) vom zuständigen Verfassungsgerichtshof des Freistaats in Weimar für verfassungswidrig erklärt, weil die Wähler durch die Vorgabe, dass Frauen und Männer zu gleichen Teilen im Parlament sitzen sollten, nicht mehr frei über die Zusammensetzung des Landtags entscheiden könnten. 

Die Urteile von Brandenburg und Thüringen sind in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Zum einen sind sie eine klare Absage an die diversen Überlegungen, durch Veränderungen des Wahlrechts andere politische Realitäten zu schaffen. Über die Zusammensetzung der Parlamente entscheiden in Deutschland allein die Bürger – nach dem Prinzip, dass alle Stimmen das gleiche Gewicht haben. 

Bedeutsam sind die Entscheidungen von Potsdam und Weimar auch für die Parteien der bürgerlichen Mitte, die sich nicht getraut haben, Verfassungsbeschwerde gegen die rot-rot-grünen Änderungen des Wahlrechts einzulegen. Insbesondere die CDU wollte mit den Parteien von rechts, beziehungsweise rechts außen keine gemeinsame Sache machen. Mit ihrem Stillhalten gab sie jedoch all jenen Recht, die der Union unterstellen, dass sie längst der Mut verlassen hat, wichtige verfassungsmäßige Grundsätze auch dann zu verteidigen, wenn diese nicht im Einklang mit dem Zeitgeist stehen.

Nicht zuletzt markiert die Abfuhr für das rot-rot-grüne Paritätsprojekt durch zwei Verfassungsgerichte das Scheitern von Parteien, die im politischen Tagesgeschäft besonders gern moralisieren – und Wettbewerber mit Vokabeln wie „demokratiefeindlich“ oder „verfassungsfeindlich“ zu diskreditieren versuchen. Mit den Urteilen von Potsdam und Weimar steht durchaus die Frage im Raum, wer hier eigentlich verfassungswidrig gesinnt ist.