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30.10.20 / Gesinnungskorridor / Der Fall Monika Maron – ein Zeitzeugnis / Wer Verlage abseits des großen Konsenses wählt, erfährt Ausgrenzung. Das musste jetzt auch eine der renommiertesten deutschen Schriftstellerinnen erfahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Gesinnungskorridor
Der Fall Monika Maron – ein Zeitzeugnis
Wer Verlage abseits des großen Konsenses wählt, erfährt Ausgrenzung. Das musste jetzt auch eine der renommiertesten deutschen Schriftstellerinnen erfahren
Erik Lommatzsch

Hat Monika Maron gesagt, eine große deutsche Partei bestünde aus „Menschen, die ihr Menschsein verwirkt“ hätten? Nein, das ist die Tonlage des russisch-deutschen Pianisten Igor Levit, der damit die Mitglieder der AfD mit totalitärer Brutalität abqualifizierte und sich „auch immer wieder in politische Debatten“ einbringe, so der „Spiegel“. Levits Einlassungen schwimmen allerdings im politisch-medial gewünschten Meinungsstrom, man sollte sich also hüten, die Art seiner politischen Äußerungen zu kritisieren. In der „Süddeutschen Zeitung“ war unlängst ein kritischer Artikel über Levits Einlassung erschienen. Doch nach einer linken Empörungswelle bat die Chefredaktion um Entschuldigung. 

Politisch ist die Schriftstellerin Maron ebenfalls. Unverständnis über gesellschaftliche Entwicklungen und Zukunftssorgen kommen in ihren Essays oder, vor allem in jüngster Zeit, in ihren Romanen zum Ausdruck. Abgesehen davon, dass sie sich im Niveau deutlich von dem Pianisten abhebt, dessen drastische Verdikte durchaus das enthalten, was er anderen vorwirft, nämlich Menschenverachtung, haben die Grenzen des großflächig als Maßstab betrachteten Gesinnungskorridors für sie keine Bedeutung. Auf der „richtigen“ Seite steht sie nicht, für den „Spiegel“ ist sie daher eine „Autorin, die immer wieder mit rechten Äußerungen für Empörung sorgt“. 

Provozieren wolle sie nicht, sie fühle sich eher provoziert durch das, was um sie herum passiere, so die 79-Jährige. Gegen die „Gendersprache“ setzt sie sich zur Wehr, zum Feminismus, zum Islam und zur Einwanderungspolitik äußert sie sich kritisch. Dies reiche offenbar, „um als neurechts oder sogar rassistisch zu gelten“, erklärte sie gegenüber der „Welt“. Es sei ein Klima geschaffen worden, „in dem alle dreimal überlegen, was sie sagen dürfen, ohne dass man über sie herfällt. Repressionen sind dazu gar nicht nötig.“ Eine vernünftige Diskussion sei nicht mehr möglich, wenn der Gegenwind „nicht heftige Widerrede und lebendiger Streit ist, sondern ehrabschneiderisch oder sogar existenzbedrohend“.

Deutschland ist ihr Thema

Bekannt geworden war Maron mit dem Roman „Flugasche“. Er war 1981 im S. Fischer Verlag herausgekommen. In der DDR, wo sie bis 1988 lebte, durfte er nicht erscheinen. Das Thema Deutschland, das problematische Zusammenfinden nach der Teilung, das Leben und die Erfahrungen in der zweiten deutschen Diktatur – all das findet sich immer wieder in ihrem Werk. Die von ihr erdachten Figuren suchen ihren Platz in der deutschen Gegenwart, nicht selten sind die Geschichten autobiografisch geprägt. Genannt seien die Romane „Stille Zeile Sechs“ (1991) „Animal triste“ (1996), „Endmoränen“ (2002) mit der Fortsetzung „Ach Glück“ (2007) oder „Zwischenspiel“ (2013). In einem mehrfach nachgedruckten Essay von 1989 schrieb sie: „Wo immer ich höre, daß einer weiß, was der anderen Menschen Glück ist; wo immer ich lese, dass jemand im Namen einer Idee über Millionen Menschen verfügt, und sei es nur in Gedanken; wo immer ich sehe, daß einer alten Ideologie frische Schminke aufgelegt wird, um ihren Tod zu maskieren, packt mich das Entsetzen. Und eine jahrzehntealte Wut.“

Dass man sich wieder in einem Zustand befindet, in dem „Ideen“ nicht angezweifelt werden dürfen, erfährt Maron nicht erst seit ihrem Roman „Munin oder Chaos im Kopf“ von 2018. Angegriffen wird vor allem ihr aktueller Titel „Artur Lanz“. Rezensionen der vielfach ausgezeichneten und früher hochgelobten Autorin lesen sich plötzlich wie die des „Tagesspiegel“, wo es heißt, Maron hadere „mit ihrem literarisch verunglückten Roman“, dessen Figuren alle „blass“ seien. Auffällig oft wurde in den Besprechungen von „Artur Lanz“ jedoch auf eine „Sünde“ der Schriftstellerin verwiesen, die mit dem Roman nichts zu tun hat. 

Abenteuerliche Begründung

Im Frühjahr hatte Maron in einer neuen Reihe, welche die Buchhändlerin Susanne Dagen in Dresden-Loschwitz verlegt, den Band „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen. Essays aus drei Jahrzehnten“ veröffentlicht (Besprechung auf Seite 22). Dagen war 2017 bekannt geworden, als sie das Verhalten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels anprangerte, der zu „aktiver Auseinandersetzung“ mit ihm nicht genehmen Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse aufgerufen hatte. In der Folge waren Stände, die als „rechts“ galten, zerstört worden. Über Dagen, die sich bei den Freien Wählern engagiert, heißt es auch schon mal bar jeder Sachkenntnis in der „Süddeutschen Zeitung“, in ihrem Buchhaus mischten sich „völkische und rassistische Positionen unters konservative Bürgertum“. Als besonders verwerflich gilt den politischen Konsenswächtern, für die der Inhalt der Bücher keine Rolle spielt, dass der Vertrieb – wohlgemerkt: der Vertrieb – auch über den Antaios Verlag erfolgt, der als „neurechts“ und damit als indiskutabel gilt.

Dieser Linie hat sich nun auch der S. Fischer Verlag, in dem Maron fast 40 Jahre veröffentlichte, angeschlossen. Verträge bekommt die unbequeme Autorin nicht mehr. Die Verlegerische Geschäftsführerin Siv Bublitz ließ wissen, man könne nicht in ihrem Haus „und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert“. Dagens Reihe heißt „EXIL“. Auch von gewogener Seite war das als etwas übertrieben angesehen worden, selbst von Maron. Ob sie nach dem Rauswurf durch S. Fischer anders denkt?

Der Fall Monika Maron ist bei Weitem nicht der erste, bei dem eine Veröffentlichung am falschen Ort handfeste Folgen zeitigt. So etwa beendete erst vor wenigen Wochen die „VG Verbrauchergemeinschaft Dresden eG“ die Geschäftsbeziehungen mit Michael Beleites. 

Beleites, der schon in der DDR-Umweltbewegung aktiv war und später als Beauftragter für die Unterlagen der Staatssicherheit in Sachsen wirkte, führt einen Gärtnereibetrieb und publiziert zu ökologischen Fragen. Nicht seine Texte, aber der Umstand, dass er in den Periodika „Tumult“ und „Die Kehre“, einer nicht-linken Naturschutz-Zeitschrift, veröffentlicht hatte, war dem Vernehmen nach der Grund für die Kündigung (die PAZ berichtete). 

Monika Maron lässt die Krähe Munin in dem gleichnamigen Roman darüber sinnieren, dass man das Wort „verrückt“ ja nicht mehr gebrauchen dürfte. „Dabei ist verrückt ein treffendes Wort: etwas, in dem Fall der Verstand, ist nicht da, wo er hingehört.“ Das lässt sich über vieles sagen, was sich derzeit in unserem Land ereignet.