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30.10.20 / Östlich von Oder und NeißE / Wie Corona einen Bau Kaiser Wilhelms II. vernichtet / Ein polnisches Anti-Pandemie-Gesetz war der Todesstoß für das Görlitzer Offizierskasino

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Östlich von Oder und NeißE
Wie Corona einen Bau Kaiser Wilhelms II. vernichtet
Ein polnisches Anti-Pandemie-Gesetz war der Todesstoß für das Görlitzer Offizierskasino
Edmund Pander

Das historische Klubgebäude der einstigen Garnisonsstadt Görlitz im zur Republik Polen gehörenden Teil der Neißestadt ist nun gänzlich Geschichte. Das Regimentshaus, bei dessen Richtfest Kaiser Wilhelm II. Ehrengast war, wurde bis 1945 vom deutschen Militär genutzt. In den 50er Jahren vom polnischen Militär übernommen, wurden dort hauptsächlich Tagungen und Besprechungen durchgeführt. In den 60er Jahren wurde das Türmchenhaus zum beliebten Begegnungsort auch für die Zivilbevölkerung.  Tanzabende wurden organisiert, Bälle und Hochzeiten gefeiert. Auch eine Kantine und eine Bibliothek fanden dort Platz. 

Eine Immobilienfirma kaufte das Gebäude vom Militär und veräußerte es weiter. Seit zwei Jahren ist es in der Hand des Investors Artur Toronowski, der eine Expertise erstellen ließ, nach der ein Abriss ins Auge gefasst wurde. Eine Abrissgenehmigung erhielt er seitens der zuständigen Woiwodschaftsdenkmalschutzbehörde in Hirschberg [Jelenia Góra] jedoch nicht.

Dem Investor kam nun jedoch das am 2. März erlassene polnische Covid-19-Gesetz zu Hilfe. Dies besagt, dass dort, wo Isolationsräume für unter Quarantäne stehende Arbeiter gebaut werden, ein Abriss zwar historischer, aber nicht auf der Liste denkmalgeschützter Gebäude stehender Bauten möglich ist. 

Gegenüber der Internetzeitung „Zgorzelec Nasze Miasto“ (Görlitz – meine Stadt) sagte Toronowski: „Der Zustand des Gebäudes war so schlecht, dass von einer Sanierung keine Rede sein konnte. Das Casino wurde durch viele Jahre Untätigkeit zur Ruine. Das Gebäude in diesem Zustand stehen zu lassen, wäre hochgefährlich und könnte mit einer Tragödie enden, wie es beim ehemaligen Infektionskrankenhauses in (Ost-)Görlitz der Fall war, wo ein Mensch ums Leben kam. Oftmals wurde in das Objekt eingebrochen und gezündelt. So habe ich beschlossen, das Haus abzureißen und an seiner Stelle ein Objekt zu bauen, in dem Arbeiter meiner Firma aus der Ukraine und Weißrussland die Zeit der Quarantäne verbringen können“, so der Investor. 

Bereits in drei Monaten soll der Quarantänebau mit Einzel- und Doppelzimmern stehen, der vielleicht nur ein Provisorium an dieser prominenten Stelle im Stadtbild sein könnte. Denn eigentlich verlangt die Lage am Kopf des alten Friedrichsplatzes [Plac Jerzego Popieluszki] nach mehr als nur einer funktionalen Bebauung und der Neubau könnte leicht als ein Schandfleck gegenüber der Oberlausitzer Ruhmeshalle [Dom Kultury] wirken. Immerhin hätte Toronowski wohl die wirtschaftliche Potenz dazu.

Es bleibt die Frage, ob ein mit der polnischen Geschichte verbundenes historisches Gebäude aufgrund der skurrilen Corona-Gesetzgebung mit ähnlich zaghaftem Protest aus der Bevölkerung hätte verschwinden können.

Ähnlich dem Offizierskasino geht es übrigens dem Pfarrhaus im nahen Nieda [Niedów] am Wittig-[Witka-]Stausee. Auch in diesem 13 Kilometer südlich von Görlitz gelegenen Dorf sollen anstelle des abgerissenen Pfarrhauses 70 Quartiere für Mitarbeiter von Toronowskis Firma Citronex, die sich in Quarantäne befinden, entstehen. Citronex beschäftigt etwa 1300 Arbeiter aus dem Ausland. Das 1988 gegründete Familienunternehmen mit Sitz im zur Republik Polen gehörenden Teil von Görlitz ist zum einen ein Unternehmen für Logistik, Tomatenzucht und Bananenimport sowie auch Betreiber von Tankstellen, Supermärkten, Hotels und Restaurants.