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30.10.20 / Österreich / Ein Häppchen für Möwe Moritz / Edelfisch fangfrisch auf den Tisch – Am Millstätter See im Bundesland Kärnten fischt ein Hotelier noch selbst für seine Gäste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Österreich
Ein Häppchen für Möwe Moritz
Edelfisch fangfrisch auf den Tisch – Am Millstätter See im Bundesland Kärnten fischt ein Hotelier noch selbst für seine Gäste
Judith Kunz

Nein, er will kein Motorboot. Peter Sichrowsky rudert lieber zu den Fischgründen am Südufer des Millstätter Sees in Kärnten. Genau wie einst sein Ururgroßvater, der letzte k. u. k. Hoffischer, der bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kaiser und die Geistlichkeit mit frischem Fang beglückte. Heute freuen sich die Urlauber nicht nur über edle Reinanken, die zur Familie der Lachse gehören, sondern auch über das Erlebnis, wenn Sichrowsky sie zum Netze-Einholen mitnimmt.

Nur das sanfte Klacken der Ruder und das leise Plätschern des Wassers sind zu hören, wenn der Fischer in den Morgen startet und seine Spur in den noch spiegelglatten See zeichnet. Ruhig und gleichmäßig, der Gedanke an rhythmische Meditation taucht auf. Bis die erste Möwe nach etwa 20 Minuten laut schreiend auf sich aufmerksam macht. „Das ist Moritz“, sagt Sichrowsky. „Er frühstückt schon seit fünf Jahren bei uns und ist immer der Erste an den Fischgründen.“ Die jugendlichen Draufgänger der Vogelschar machen ihm inzwischen ordentlich Konkurrenz, doch der Käpt’n achtet immer darauf, dass Moritz seinen Happen bekommt.

Das Netz hängt in 20 Meter Tiefe und ist 100 Meter lang. Mit geübten Griffen holt Sichrowsky es Stück für Stück hoch, hangelt sich und das Boot daran entlang und befreit eine Reinanke nach der anderen aus den Maschen, bevor es wieder absinkt. Die Reinanke, anderswo auch als Renke bekannt, durchstreift das Wasser auf der Suche nach Plankton. Im Millstätter See, dem fischreichsten in ganz Österreich, fühlt sie sich pudelwohl. 

Heute sind gut 40 Reinanken ins Netz gegangen. Den Beifang wie Goldaugen bekommen Moritz und seine Freunde. „Ein guter Tag“, sagt Sichrowsky, der immer nur so viel fangen will, wie auch tatsächlich gebraucht wird. Die Fangmenge kann er mit der Netzlänge regulieren. „An manchen Tagen verkürze ich auf 50 Meter.“

Sichrowsky braucht die Fische für die Gäste in seinem Hotel, der Villa Postillion am See in Millstatt, und für das Familienhotel Post, das ebenso zu der alteingesessenen Familie gehört. Zu Ururgroßvaters Zeiten wurden dem Kaiser die edlen Renken geliefert. Die Benediktiner vom Klosterstift Millstatt, das heute für seine hochkarätigen Kulturveranstaltungen bekannt ist, ließen sich vom k. u. k. Hoffischer mit deftigen Fischen wie Barschen und Hechten beliefern.

Insgesamt fünf Familien teilen sich heute die Fischgründe im Millstätter See. Vier davon sind Reinankenwirte – Fischer mit Gastronomie, die den fangfrischen Edelfisch auf ihre Speisekarten setzen. Gegrillt oder gebraten, als Filet oder ganz. „Der Fisch schmeckt nach dem, was er isst“, so Sichrowsky: „Das ist wie mit dem Wein und den Lagen.“ Im Millstätter See ist bestes Plankton die Grundlage fürs kulinarische Erlebnis. Der wärmste See Kärntens, der 148 Meter tief ist und so viel Wasser fasst wie die anderen vier Seen des österreichischen Bundeslands zusammen, schafft durch seine hohe Wasserstabilität echtes Wohlfühlklima, denn „Fische mögen keine Veränderungen“.

Sichrowsky wirft Möwe Moritz den letzten Fischhappen zu, nimmt dann die Ruder wieder in die Hand und steuert das Ufer der Villa Postillion am See an. Er kommt darauf zu sprechen, wie gesund die Reinanken wegen ihres hohen Gehalts an Omega-3-Fettsäuren sind. Dass man ihr Alter an den Jahresringen auf den Schuppen erkennen kann. Dass sie bei Vollmond tiefer schwimmen, weil sie sich vorm Licht schützen. Sichrowsky könnte ein ganzes Buch über die Reinanken und die Netzfischerei schreiben. Ein Kapitel wäre sicher auch der „Millstätter Zille“ gewidmet – dem Ruderboot-Typ, mit dem schon der Ururgroßvater unterwegs war: vorne breit und daher stabil, dennoch wendig und mit wenig Sitzbrettern, denn die sind nur Stolperfallen bei der Arbeit.

Zwei- bis dreimal die Woche haben Urlauber im Sommer Gelegenheit, mit ihm hinaus auf den See zu fahren. Wer nicht in der Villa Postillion am See oder im Familienhotel Post wohnt, kann auf Anfrage freitags mit dabei sein und zahlt für das besondere Erlebnis und ein leckeres Fischgericht im Anschluss günstige 20 Euro. 

Villa Postillion am See, Kaiser-Franz-Josef-Straße 106, 9872 Millstatt, Österreich, Telefon (0043) 4766 25 52, info@villa-postillion.at, www.villa-postillion.at