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30.10.20 / „Mutter Ostpreußen“ / Unter Quarantäne gestellt / Eine kleine „Durchgangslektüre“, die zu Agnes Miegel führen soll – Autor Uwe Wolff entdeckt Aktuelles im Werk der ostpreußischen Dichterin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

„Mutter Ostpreußen“
Unter Quarantäne gestellt
Eine kleine „Durchgangslektüre“, die zu Agnes Miegel führen soll – Autor Uwe Wolff entdeckt Aktuelles im Werk der ostpreußischen Dichterin
Harald Tews

Corona sei Dank, könnte man sagen, ohne zynisch zu sein. Denn im Fall von Uwe Wolffs kleiner biografischen Skizze „Agnes Miegel und das Leben in Quarantäne“ war die Pandemie, so viel Leid sie auch anrichtet, doch so etwas wie ein Geburtshelfer. Der Autor hat den Lockdown genutzt, um in Gedanken dorthin zu reisen, wohin es ihm wegen der Grenzschließung im Frühjahr verwehrt wurde.

Als die geplante Reise nach Dänemark ausfiel, grub der Münsteraner Philosoph und Publizist, dessen Mutter wie Miegel aus Königsberg stammt, das Miegel-Gedicht „Die Frauen von Nidden“ aus. Darin thematisiert Miegel die Pestepidemie, die im frühen 18. Jahrhundert auch an der Kurischen Nehrung ganze Landstriche entvölkert hat. Das Gedicht mit der pessimistischen Schlusszeile „Und die Düne kam und deckte sie zu“ liest sich laut Wolff „als eine Vision des 20. Jahrhunderts“.

Warum nicht sogar als eine des 

21. Jahrhunderts? Die Parallelen zur aktuellen Seuche liegen doch nahe. Wolff macht sich schließlich selbst daran, Miegel-Bücher buchstäblich in der Düne auszubuddeln. Immer wieder Biografisches mit Autobiografischem verquickend, erzählt er von früheren Aufenthalten in seinem Ferienhaus in Dänemark, das an der Nordsee unweit des Ex-Flüchtlingslagers Oksbøl liegt, in dem Miegel nach ihrer Flucht aus Ostpreußen gelandet war. Ganz in der Nähe entdeckte er in einem Antiquariat 75.000 Bücher in deutscher Sprache, darunter Miegel-Werke. „Das Antiquariat als Flüchtlingslager?“, fragt der Erzähler – „Nein“, lautet die Antwort, „ein Durchgangslager zu neuen Lesern.“

Ähnlich kann man auch Wolffs Buch als Durchgangslektüre bezeichnen, die Leser an eine Dichterin heranführen soll, die ihrerseits „unter Quarantäne“ gestellt worden ist wegen ihrer Beziehung zu den Nationalsozialisten. Wolff spricht sie nicht frei davon, wenngleich er das düstere Kapitel nur mit wenigen Worten abhandelt. Ihre Tätigkeit als Kulturfunktionärin nach 1933 und ihr Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler sind kein Thema. Umso mehr widmet sich Wolff ihrem Leben in Königsberg, ihren Aufenthalten im Seebad Cranz und ihrer Flucht über die Ostsee, die in Oksbøl endete. 

Ja, ein wenig Hagiografie, also Heiligsprechung, ähnelt dieser mit Miegel-Gedichten angereicherte Band schon. Aber gerade in Corona-Zeiten kann dieses Buch, in dem im Nachwort der orthodoxe Danziger Erzabt Irenäus Totzke seine Begegnung mit Miegels Werk schildert, für viele Menschen großen Trost bedeuten. 

Uwe Wolff: „Agnes Miegel und das Leben in Quarantäne, Arnshaugk Verlag 2020, Neustadt an der Orla, Hardcover, 72 Seiten, 14 Euro