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30.10.20 / Der Wochenrückblick / Hütchenspieler / Warum Friedrich Merz so furchtbar sauer ist, und wer es am Ende wirklich wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44 vom 30. Oktober 2020

Der Wochenrückblick
Hütchenspieler
Warum Friedrich Merz so furchtbar sauer ist, und wer es am Ende wirklich wird
Hans Heckel

Friedrich Merz hat den Kanal endgültig voll. Seit mehr als zwei Jahren schnappt er nach dem CDU-Vorsitz. Erst war er im Dezember 2018 knapp gegen Annegret Kramp-Karrenbauer unterlegen. Doch AKK stellte sich so dusselig an, dass sie vergangenen Januar ihren Rücktritt ankündigen musste. Der Nachfolger sollte im April gewählt werden. Merz lief sich gleich wieder warm. Doch aus der April-Kür wurde nichts, Coronas wegen, weshalb nun der Herbst angepeilt wurde für die Neuwahl des obersten Christdemokraten.

Der Verzug war schon mal ärgerlich. Aber was jetzt folgte, schlug dem Fass den Boden aus. Statt am 4. Dezember zu wählen, soll der Bundesvorstand am 14. Dezember erst einmal über drei Optionen beraten, wie die Wahl überhaupt laufen soll. Ein Digitalparteitag mit anschließender Briefwahl ist am wahrscheinlichsten. Entscheiden soll darüber aber nicht der Vorstand im Dezember, sondern eine Klausurtagung, die erst Mitte Januar zusammentritt. So der Plan der CDU-Spitze.

AKK behauptet in einem Brief an die CDU-Mitglieder, damit sei sichergestellt, „dass zeitnah darüber entschieden wird, auf welche Art und Weise die Wahl des CDU-Bundesvorstands durchgeführt wird“. Sie wollen sich also noch einmal fast drei Monate Zeit lassen, bis sie überhaupt entscheiden, wie gewählt wird, um erst dann einen neuen Termin auszuknobeln – und die amtierende Parteichefin nennt das frech „zeitnah“.

Das war zu viel! Merz kommt sich vor wie das Opfer eines fiesen Hütchenspielers. Jedes Mal, wenn er glaubt, die Trophäe schon sicher in Händen zu halten, hat die Kanaille den Gewinn heimlich unter einen anderen Hut verschoben, und der Angeschmierte glotzt ins Leere. 

Seit dem Wochenende randaliert der Ausgetrickste durch die Medien und schimpft dabei auf das tückische Partei-„Establishment“. Interessante Wortwahl: Wer sonst heute noch den alten linken Kampfbegriff „Establishment“ benutzt, wird üblicherweise als „rechter Verschwörungstheoretiker“ oder noch Schlimmeres ins Visier genommen. Aber das nur am Rande.

Zur Freude von AKK und ihrer Mentorin Angela Merkel bemerkt Merz nicht, dass er längst in der Falle sitzt. Hätte er das Hütchenspiel unkommentiert geschehen lassen, wäre es kaum jemandem aufgefallen, wie das getrickst wird, was nicht im Sinne des ausgetricksten Kandidaten sein konnte. Nun aber, da er das falsche Spiel laut zeternd anklagt, steht er als Giftspritze da, welche die Partei spaltet. Die anderen müssen nur warten, bis die Spritze leer ist, was in der hektischen Medienwelt schnell gehen kann. Dann bleibt da nur noch ein trauriger Querulant am Spielfeldrand, an den sich nur noch wenige Parteimitglieder gern erinnern. Sie fragen, was der arme Merz denn sonst hätte tun können? Nichts, deswegen nennt man es ja Falle.

Selbstredend haben AKK, Merkel und Konsorten Merzens feuriges Temperament in ihr Spielchchen einkalkuliert. Sie wussten: Bei dem muss man nur lange genug Killekille machen, irgendwann geht er mit Sicherheit hoch. Genauso geschah’s.

Kenner des Berliner Sumpfs vermuten, wie Merz selbst auch, dass man mit der Verzögerung dem Konkurrenten Armin Laschet Zeit verschaffen will, damit er sich wieder herausputzen kann. In der Corona-Krise hat der Ministerpräsident von NRW ja etwas rumgewackelt. Das muss erst ausgebügelt werden. Mal sehen, wie lange das braucht.

Derweil steuert AKK auf einen besonders putzigen Rekord zu, wie Nico Fried in der „Süddeutschen“ ausgerechnet hat. Sollte AKK noch bis zum 15. April CDU-Chefin bleiben, weil vorher kein Nachfolger gewählt wurde, werde sie dann genauso lange nach ihrer Rücktrittsankündigung im Amt gewesen sein wie davor, nämlich jeweils 430 Tage. Das hat es wirklich noch nie gegeben. Wir leben wahrlich in ungewöhnlichen Zeiten.

Daher sollten wir uns auch nicht wundern, wenn es noch viel ungewöhnlicher weitergeht. Ob Merz also wider Erwarten Erfolg hat mit seinem Frontalangriff aufs Partei-„Establishment“? Soll heißen: Knicken die CDU-Oberen ein wegen der Popularität des kantigen Kandidaten und ziehen die Neuwahl des Parteichefs viel schneller durch, sagen wir, im Dezember?

Kaum anzunehmen. Das hieße nämlich, dass nicht nur AKK, sondern auch Merkel die Zügel in der CDU entglitten wären. Können Sie sich das vorstellen? Ich auch nicht. 

Womöglich zieht der Tross in eine völlig andere Richtung. In Berlin munkeln sie, am Ende könnte es keiner der drei derzeitigen Anwärter, Merz, Laschet und der abgeschlagene Norbert Röttgen, werden, sondern ein ganz neuer Überraschungskandidat, Gesundheitsminister Jens Spahn beispielsweise. Vor zwei Jahren ist der heute 40-Jährige noch als Merkel-Kritiker aufgetreten und bei der Wahl zum CDU-Chef krachend durchgefallen. Daraus hat er gelernt, dass sich Merkel-Kritik nicht auszahlt, und latscht seitdem im Gefolge der ewigen Kanzlerin brav mit.

Aber mit 40 könnten ihn manche in einer Partei, deren Mitglieder im Schnitt 60 Jahre alt sind, noch für zu jung halten: Soll erst mal Erfahrungen sammeln, sich seine Sporen verdienen und was alte Leute so sagen, wenn junge Leute auf Posten schielen, die wir Älteren lieber unter uns aufteilen.

Außerdem heißt es überall, dass der Entscheid über den CDU-Vorsitz einem Vorentscheid über den Kanzlerkandidaten der Unionsparteien gleichkomme, auch wenn der Söder das nicht gerne hört. Und fürs wichtigste Amt im Staate könnte es beim Spahn tatsächlich noch nicht reichen.

Der also auch nicht. Wer denn dann? Denken wir mal nach. Haben Sie’s? Na?

Tadaaa! „Liebe Freundinnen und Freunde in der CDU Deutschlands. Unser Land durchlebt eine schwere Zeit, die uns allen viel abverlangt. Hier ist es angezeigt, dass ein jeder seine Pflicht erfüllt, jeder an seinem Platz. Auch unsere Partei durchlebt wechselvolle Tage, die bisweilen ungewöhnliche Antworten erfordern. Daher habe ich nach langem Ringen entschieden, mich meiner Verantwortung für die Menschen in Deutschland und in unserer Partei zu stellen und abermals für den Vorsitz der CDU Deutschlands zu kandidieren, um unser Land in dieser Zeit voller Prüfungen auch nach der kommenden Bundestagswahl als Kanzlerin zu führen. Ihre Angela Merkel.“

Das glauben Sie nicht? Sie will doch gar nicht mehr, hat sie gesagt! Na und? Als Merkel Kanzlerin wurde, versprach sie hoch und heilig, niemals den Fehler eines Helmut Kohl zu begehen, der ihrer (damaligen!) Meinung nach viel zu lange im Kanzleramt verharrt habe, bis die Deutschen ihn abwählten. Das werde ihr nicht passieren, weil sie rechtzeitig selbst den Hut nehme. Wie lange ist das her? Fragen Sie einen 17-Jährigen, der hat in jenen Tagen gerade Laufen gelernt.

Außerdem ist Merkel ja mehr grün als schwarz, mit Schwarz-Grün aber hat sie nie regieren dürfen. Da die SPD nur noch nervt und den Grünen beim Blick auf die Macht schon der Sabber vom Kinn tropft, wäre 2021 die Gelegenheit, das endlich hinzukriegen.