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06.11.20 / Der echte James Bond / Der Spion, der in Warschau lebte / Wissenschaftler entdeckten kürzlich eine Fallakte aus den 1960er Jahren – Einsatz auch in Allenstein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45 vom 06. November 2020

Der echte James Bond
Der Spion, der in Warschau lebte
Wissenschaftler entdeckten kürzlich eine Fallakte aus den 1960er Jahren – Einsatz auch in Allenstein
Wolfgang Kaufmann

Wer kennt ihn nicht: Den smarten Geheimagenten seiner Majestät der Queen mit der Nummer 007 und der Lizenz zum Töten – in mittlerweile schon 24 Filmen mehr oder weniger glaubwürdig verkörpert von Schauspielern wie Sean Connery, Roger Moore, Pierce Brosnan und Daniel Craig.  Wegen der Corona-Krise musste der Filmtart des 25. James-Bond-Films „Keine Zeit zu sterben“ zuletzt verschoben werden.

James Bond galt bisher stets nur als Phantasiefigur, kreiert von dem britischen Schriftsteller Ian Fleming, der im Zweiten Weltkrieg selbst eine Zeit lang Angehöriger des Marinegeheimdienstes Naval Intelligence Department gewesen war. 

Doch offenbar gab es auch einen realen Spion namens James Bond, wie jetzt die britische Zeitung „Daily Mail“ unter Berufung auf die Aussagen von Wissenschaftlern vom polnischen Instytut Pamieci Narodowej (IPN, Institut für Nationales Gedenken) berichtet. Dem IPN obliegt neben der Aufklärung der stalinistischen Verbrechen auch die Auswertung der Aktenbestände der kommunistischen polnischen Nachrichtendienste Ministerstwo Bezpieczenstwa Publicznego (Ministerium für Öffentliche Sicherheit) und Sluzba Bezpieczenstwa (SB, Sicherheitsdienst) sowie der Spionageabwehr-Abteilung II des Ministerstwo Spraw Wewnetrznych (MSW, Ministerium für Inneres). Und in den MSW-Unterlagen fanden Mitarbeiter des IPN kürzlich die 1964 angelegte Fallakte über einen britischen Geheimagenten, dem seine polnischen Gegenspieler den Codenamen „Samek“ gegeben hatten.

Hierbei handelte es sich um James Albert Bond, der angeblich am 20. Januar 1928 in Bideford im Distrikt Torridge der südwestenglischen Grafschaft Devon geboren worden war. Dieser echte James Bond arbeitete wie der von Fleming erdachte für den britischen Auslandsgeheimdienst Secret Intelligence Service, auch bekannt als MI6 oder Military Intelligence, Section 6. Seine Aufgabe bestand darin, in besonders geheime polnische Militärobjekte einzudringen. Dazu zählen  sicher auch die massiven Betonbunker in abgelegenen Waldgebieten, in denen die UdSSR im Einvernehmen mit der Militärführung der Volksrepublik Polen ab den 1960er Jahren taktische Nuklearsprengköpfe des Typs 3N14 lagerte.

Bond traf am 18. Februar 1964 in Warschau ein und bezog in der Ulica Obronców Quartier – offiziell in der Funktion eines Sekretärs des Militärattachés der britischen Botschaft. Diese wenig einfallsreiche Tarnung flog jedoch sehr bald auf. Danach wurde der Agent kontinuierlich beobachtet. Dabei kam zunächst heraus, dass er sich – gleich seinem fiktiven Namensvetter – sehr für attraktive Frauen interessierte, jedoch ansonsten ausgesprochen vorsichtig beziehungsweise zurückhaltend auftrat und keine verdächtigen Kontakte knüpfte. 

Einem weiteren Bericht der MSW-Gegenspionage vom 20. März 1965 zufolge reiste er im Oktober 1964 zusammen mit zwei anderen Botschaftsmitarbeitern in die Region Bialystok unweit der Grenze zur Sowjetunion, um dort militärische Anlagen auszuspionieren. Und im Monat darauf zog es den echten James Bond schließlich in den südlichen Teil Ostpreußens, der nun unter polnischer Verwaltung stand. Dabei galt seine Aufmerksamkeit vor allem dem Raum um Allenstein [Olsztyn]. Dort befand sich unter anderem ein Flugplatz der Luftstreitkräfte Polens.

Ende November erkannte Bond, dass er unter Beobachtung der Gegenspionage stand, und kehrte nach Warschau zurück. Kurz darauf, am 21. Januar 1965, also einen Tag nach seinem 37. Geburtstag, verließ der MI6-Agent die Volksrepublik. Welcher Auftrag danach auf ihn wartete, steht nicht in den Unterlagen des MSW – das schloss die Akte bald nach Bonds Ausreise. Möglicherweise endete seine geheimdienstliche Karriere mit dem Scheitern in Polen. Die geheimen Lager für Nuklearsprengköpfe fanden jedenfalls erst die Spionagesatelliten der USA. Diese wurden allerdings nicht in Ostpreußen fündig, sondern sehr viel weiter westlich in Podborsko [Kiefheide] und südlich von Jastrowie [Jastrow] in Hinterpommern sowie bei Tempel [Templewo] im Landkreis Oststernburg der preußischen Provinz Brandenburg.