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06.11.20 / Er formte Köslin, prägte Pommern und erstrebte die deutsche Einheit / Bedeutender Bürgermeister August Ernst Braun in Köslin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45 vom 06. November 2020

Er formte Köslin, prägte Pommern und erstrebte die deutsche Einheit
Bedeutender Bürgermeister August Ernst Braun in Köslin
Detlef Schwenkler

Mit August Ernst Braun, geboren am 27.06.1783 in Köslin, verstorben am 19. 09.1859 ebenda, ehren die Kösliner bis heute nicht nur ihren bedeutendsten Bürgermeister, Magistrats- und Polizeidirektor, sondern auch einen deutschen Patrioten mit allen preußischen Tugenden.

Zur Schule ging August Ernst in Halle, „wo er sich durch Fleiß und Fähigkeiten so auszeichnete, daß er die Klassen im Sturmschritt durchmachte und eben daselbst zwei Jahre das Jura studierte. Er wurde darauf Referendar in Coeslin, da die trübe Zeit der Unterdrückung durch die Franzosen in seine Zeit fiel.“ 

Und bereits am Beginn seines Berufslebens bewies er die äußerst seltene Tugend der Zivilcourage. Er tat etwas, das ihn weit über die Allgemeinheit erhob: Er verweigerte dem französischen Kaiser Napoleon den Treueeid. Als im März 1807 dessen Generalinspekteur Parma von sämtlichen Beamten diesen Eid forderte, trotzte Braun der zugemuteten nationalen Demütigung und schwor als einziger nicht. Er wurde sofort suspendiert und durfte erst nach dem im Juli geschlossenen Tilsiter Frieden wiederkommen.

Nach einer Tätigkeit als Justizbeamter in Neustettin war er als überzeugter Anhänger der deutschen nationalen Bewegung 1813 „einer der ersten, welcher in den Befreiungskampf zog. Nachdem er eine Louise Zychow geheiratet, zog er mit Patronen von ihrer Hand versehen als Jäger unter dem Lützowschen Freikorps ins Feld. Später bei Hamburg und Dannenberg stand er an der Seite Theodor Körners (Dichter und Dramatiker), als derselbe fiel. Er wurde darauf gefangen und saß als Kriegsgefangener sechs Monate im Stockhause (Gefängnis für Schwerverbrecher) zu Hamburg, aus dem er durch die Einnahme Hamburgs durch die Alliierten befreit wurde. Er ging darauf der Armee nach Belgien nach, kam aber nicht mehr ins Gefecht, denn am 30. Mai 1814  wurde der Erste Pariser Frieden geschlossen. 

Bemerkenswerte Stadtentwicklung

„Darauf ging er in den Staatsdienst und wurde zum Bürgermeister in Coeslin auf 12 Jahre und ferneren 12 Jahre und endlich auf Lebenszeit gewählt.“ Am 18. Mai 1816 trat er sein Amt an. Den Dienst begann er mit einem notwendigen, aber heute im vergleichbaren Fall kaum noch üblichen Anfang: Er tilgte die Schulden der Stadt. Sie stammten noch von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges.

„Im Jahre 1821 hatte er das Haus Nr. 1 auf der Friedrich-Wilhelm-Stadt gebaut.“ Der Ausbau dieser Kösliner Vorstadt gilt als sein  besonderer Verdienst, ebenso die Organisation der Kommunal- und Forstverwaltung. „Die westliche Seite des Gollens (Köslins geheimnisumwobener Bergwald) hat er ganz, teilweise unter Hindernissen kultiviert, die nur zu würdigen weiß, wer mit seit Hunderten von Jahren ausgedorrtem Boden zu tun gehabt hat.“ Auch wirkte er an der Gründung des Königlichen Stadtgymnasiums mit, wie er sich überhaupt um die Förderung des Schulwesens sehr bemüht hat; 1825 veranlasste er den Bau des Seminars. Er ließ die Marienkirche restaurieren, ein neues Rathaus bauen, Straßen neu pflastern, Spazierwege um die Stadt anlegen und die Straßenbeleuchtung, anfangs mit 24 Laternen, installieren. Er eröffnete die Stadtsparkasse, kaufte die Stadtmühle zurück und erwarb für die Stadt das Rogzower Wäldchen sowie das Ausflugslokal „Gallenstein“. Braun bereitete auch den Bau der Gasanstalt vor und ersetzte das Feuer-Reglement von 1807 durch die Feuerordnung vom 12. Mai 1832 mit den in sie integrierten Vorschriften des Allgemeinen Landrechts. 

Der Anschluss an das Eisenbahnnetz 1859 mit der Eröffnung der Strecke nach Stargard bildete eine Voraussetzung für den späteren wirtschaftlichen Aufschwung Köslins.

Außerhalb der Stadt zeigte sich Braun ebenfalls aktiv. Seit 1824 in den zusammengeschlossenen Provinziallandtagen Pommern, Hessen-Nassau und Hohenzollerische Lande tätig, wurde er auch in die Allgemeinen Landtage nach Berlin gewählt. Ab 1848 saß Braun mit Ernst Moritz Arndt in der ersten deutschen Nationalversammlung. Dort stellte er am 8. August den Antrag, dem Haus Hohenzollern die Kaiserkrone anzubieten. Offensichtlich war er seiner Zeit voraus, denn er erntete dafür zunächst mehrheitlich Spott. Später wurde der Antrag doch dem König nahegelegt, „freilich ohne Erfolg von Seiten des Königs.“ Dieser „lehnte nämlich, durch Junker und Pfaffen bearbeitet, vielleicht auch aus der Furcht, einer solchen Situation nicht gewachsen zu sein, den Antrag ab, und so ging die kostbare Gelegenheit – hoffentlich nicht auf immer – verloren, Deutschlands Einheit zu schaffen. 

Nach der Auflösung des Frankfurter Parlaments ging er nach Erfurt. Nachdem auch dieses aufgelöst war, zog er sich auf seinen Posten zurück und wurde in die Erste Kammer gewählt.“ Diese war die Legislative Preußens, auch das Herrenhaus genannt. Das Erfurter Unionsparlament wollte einen deutschen Bundesstaat errichten. Braun war sogar an der Festschreibung der preußischen Verfassung beteiligt. „Leider hat die Revolution viel hineinrevidiert. Es ist aber immer ein Vertrag zwischen Krone und Volk.“

Brauns häufige Abwesenheit von Köslin verleitete einige Neider und politische Gegner zu Intrigen gegen ihn. Leider mit Erfolg, fiel er doch beim König vorübergehend in Ungnade. Daher legte er 1852 sein Abgeordnetenmandat nieder, um sich mit 69 Jahren wieder ausschließlich den Interessen der Kösliner Bürger zu widmen. 1854 erhielt er den Titel „Geheimer Regierungsrat“. 

„Aus allem diesem geht zur Genüge hervor, dass er nicht nur als ein Patriot, sondern auch als ein kräftiger Mensch für die Geschicke seines Vaterlandes und der Menschheit Gutes geleistet hat. Seit 1852 hat sein Leben mehr oder weniger der stillen Wirksamkeit gegolten, die sich auch in unserer Familie oft gezeigt hat. Seine Leiche wurde unter großem Pomp und Gefolge auf der westlichen Seite des Kirchhofes, am Mittelgang vor dem Gewölbe beigesetzt und eine Bluteiche darauf gepflanzt. Er war ein großer Jäger, Forstmann und Verwaltungsbeamter.“

 Alle in Anführungszeichen stehenden obigen Äußerungen stammen aus einer am 23. Dezember 1860 in Grössin beendeten handgeschriebenen Familienchronik, die dem Autor in Kopie vorliegt.

Ausgerechnet dieser herausragende Kösliner Bürgermeister durfte nie die Amtskette tragen. Am Anfang seiner Amtszeit war diese nicht vorhanden, weil sie vermutlich den Befreiungskriegen geopfert worden war, und später erfüllte das Gemeinwesen Köslin nach Auffassung König Wilhelm IV. nicht die für das Tragen einer solchen Kette notwendigen Voraussetzungen in Bezug auf „Königstreue, Vaterlandsliebe und Bürgersinn“. Auf eine „ebenso ungeheuchelte als ehrenvolle Weise“ (Johann Ernst Benno in seiner „Geschichte der Stadt Coeslin 1840“) wurde das Wirken Brauns jedoch 1838 am Tag seiner Silberhochzeit von der Bürgerschaft mit einem silbernen Pokal gewürdigt. Diesen bewahrte die Familie bis 1945 im Gutshaus Grössin auf, zusammen mit zwei Steinschlossgewehren und der Zange, mit der das Ehepaar Braun 1813 die Kugeln gegossen hatte. 

Heimatkreis Köslin