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06.11.20 / Beginn der fünften Jahreszeit / Katzenjammer am Rhein / Der Kölner Karneval fällt komplett aus – So mancher Jeck wird das bestimmt nicht mit Humor nehmen können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45 vom 06. November 2020

Beginn der fünften Jahreszeit
Katzenjammer am Rhein
Der Kölner Karneval fällt komplett aus – So mancher Jeck wird das bestimmt nicht mit Humor nehmen können
Siegfried Schmidtke

Die Corona-Pandemie erfasst ein Kölner „Heiligtum“ – den „Fastelovend“. Die Stadt Köln startet eine Anti-Karnevals-Kampagne und verhängt für den 11.11. ein Feier- und Alkoholverbot.

Denn am 11.11. jeden Jahres um 11 Uhr 11 wird mit einem Countdown der Kölner Straßenkarneval eröffnet, im Volksmund einfach „der Elfte im Elften“ genannt. Auf dem „Alter Markt“ haben sich dann Zehntausende kostümierte Menschen versammelt. Nicht nur Kölner.

Die Jecken, wie Karnevalisten in Köln genannt werden, kommen auch aus dem Umland, aus anderen Bundesländern, ja – auch aus dem Ausland. Sie wollen Schunkeln, Singen, „Bützchen“ verteilen (also Knutschen/Küssen) und dicht an dicht in der Menge aufgehen. Sie wollen die einzigartige Stimmung in vollen Zügen genießen, viele von ihnen auch die mitgebrachten oder vor Ort erworbenen alkoholischen Getränke. Das süffige Bier, Kölsch genannt, fließt reichlich aus den Zapfsäulen der umliegenden Kneipen. Die Jecken sind sehr früh aufgestanden, um einen Stehplatz zu ergattern. Denn spätestens ab 10 Uhr ist der Platz voll.

Für den 11.11. in diesem Jahr ist die Sessionseröffnung – für Kölner eine Art Heiligtum – jetzt kurzerhand, aber schweren Herzens gestrichen worden. Schluss, Aus. Keine Feier. Kein Karneval.

So verkündeten es die Stadt-Oberen und das Festkomitee Kölner Karneval (um Verwechslungen vorzubeugen, verwendet das Komitee die Abkürzung FK, nicht FKK!). Die Corona-Pandemie mit rapide steigenden, hohen Inzidenzzahlen fordert ihren Tribut.

Eingefleischten Jecken eine Absage zu erteilen, ist kein leichtes Unterfangen. Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Präsident des Festkomitees, Christoph Kuckelkorn, versuchen es mit der Kampagne „#diesmalnicht“. Es kommt einer Beerdigung des diesjährigen Kölner Karnevals gleich. Ironie am Rande in Seuchenzeiten: Kuckelkorn ist nicht nur aktiver Karnevalist, sondern führt auch ein überregional bekanntes Bestattungsinstitut. Reker und Kuckelkorn appellierten inbrünstig an die Jecken nah und fern: „Bleibt zu Hause, feiert nicht!“

Mit Plakaten und über Social-Media-Kanäle wird diese Anti-Stadtwerbung nun verbreitet. Prominente, Tanzmariechen und Wirte äußern auf großen Postern: „Wir feiern nicht“ oder „Wir öffnen nicht“ und erklären den unerwünschten Jecken, warum sie am 11.11. aufs Jecksein verzichten müssen: „Weil es dein Leben schützt.“

Diese Plakate werden an vielen Bahnhöfen im Bundesgebiet sowie an über 300 Werbetafeln im Kölner Stadtgebiet hängen. Faktisch eine Aktion, die Karnevalisten vergraulen soll. Bezug nehmend auf ein bekanntes Kölner Karnevalslied witzelt die Oberbürgermeisterin zusätzlich: „Am Elften im Elften in Köln muss es heißen: Drink doch keine met.“ 

Kein Kölsch auf öffentlichen Plätzen

Sie erklärte den zuvor schon von einer Boulevard-Zeitung als „Jeckdown“ bezeichneten Abgesang so: „An Karneval besingen wir normalerweise das Kölner Lebensgefühl, unsere Solidarität und unser ‚Wir‘-Gefühl. Auf dieses ‚Wir‘-Gefühl, auf diesen Zusammenhalt setze ich jetzt. Dieser Zusammenhalt kann leider in dieser für uns alle schwierigen Situation nur darin bestehen, die Kontakte auf das absolut geringste mögliche Maß zu reduzieren. Wir alle müssen auf das Feiern am 11.11. verzichten.“

Verzichten müssen die Kölner am 11.11. vor allem auf öffentlichen Alkoholkonsum. Es gilt ein Verkaufs- und Verzehrverbot auf Plätzen und Straßen. Nur in Gaststätten und privat zu Hause darf dann noch geschluckt werden. Verstöße will das Ordnungsamt rigoros ahnden. Nach dem Teil-Lockdown dürfen die Gastwirte und Kiosk-Besitzern ihre Geschäfte am 11. November ohnehin gar nicht erst zu öffnen. Die wirtschaftlichen Einbußen für die Gastronomen kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Es geht in die Millionen.

Unbeirrte Jecken werden das „Kölner Lebensgefühl“ dann wohl in Privaträume verlagern müssen. Aber auch dort gilt die Regel, dass sich maximal zehn Menschen treffen dürfen. Ob und wie das kontrolliert werden kann, bleibt die große Frage.

Nicht verzichten sollten die Karnevalisten auf das übliche TV-Programm am 11. November. Eine Live-Übertragung vom Sessionsstart war von 10.45 bis 16 Uhr im WDR geplant, aufgezeichnet auf dem Gelände des Karneval-Museums. Dort sollten auf mehreren Bühnen die Oberbürgermeisterin sowie 18 Künstler und kölsche Musikgruppen live auftreten, aber eben ohne Publikum. Auch das neue Kölner Dreigestirn wäre den TV-Zuschauern vorgestellt worden.

Damit könne den Jecken, die zu Hause bleiben sollen, „ein klein bisschen das Gefühl von Normalität“ gegeben werden, erklärte Ober-Karnevalist Kuckelkorn. Gut gemeint ist aber nicht immer auch gut gemacht. Jetzt sagten WDR und Karnevalisten auch diesen Ersatz-Sessionsstart ab, stattdessen wird Klaumauk aus der TV-Konserve gesendet. 

Apropos Kölner Dreigestirn. Der Prinz („Seine Herrlichkeit“), der Bauer („Seine Deftigkeit“) und die Jungfrau („Ihre Lieblichkeit“) werden jeweils für eine Session proklamiert. Die Regentschaft beginnt immer am „Elften im Elften“ und endet immer am Aschermittwoch des Folgejahres. Diesmal läuft es anders, wie es noch nie gewesen ist. Wegen des fast vollständigen Ausfalls der Session bleibt das Dreigestirn zwei Jahre im Amt. Also bis Aschermittwoch 2022. 

Was sonst noch anders ist als sonst: Keine Karnevalssitzungen – ein herber finanzieller Schlag für alle Beteiligten wie Tanztruppen, Büttenredner, Saal-Vermieter, Gastronomen. Noch heftiger schmerzt die Absage des Kölner Rosenmontagszuges, der mit rund einer Million Besuchern das größte Karnevals-Ereignis in Deutschland ist. Hotelbuchungen fallen aus, Taxi-Fahrten kommen nicht ins Rollen, Tausende Liter Kölsch werden nicht geschluckt. Ein finanzielles Desaster. Vom beschädigten Kölner Lebensgefühl ganz zu schweigen.

Die Einsicht der betroffenen Karnevalisten für die Kampagne „#Diesmal nicht“ scheint groß zu sein. Wie das Fußvolk, der normale Kölner Jeck, die Einschränkungen hinnimmt, bleibt hingegen offen.