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06.11.20 / Für Sie gelesen / Neuordnung der Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45 vom 06. November 2020

Für Sie gelesen
Neuordnung der Welt
D. Jestrzemski

Nach dem Fall der Berliner Mauer endete die jahrzehntelange Konfrontation der beiden Supermächte USA und UdSSR unerwartet und schnell. Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Zerfalls der Sowjetunion entstand eine hochdiffizile politische Konstellation, in der zunächst die damaligen Hauptakteure, der US-Staats-Präsident George Bush sen. und auf der sowjetischen Seite Präsident Michail Gorbatschow, in enger Kooperation mit Helmut Kohl, François Mitterand und Margaret Thatcher vorsichtig die Weichen für eine neue Weltordnung stellten. 

Den weitgehend friedlichen Wandel in Europa im Kontext der weltpolitischen Entwicklung hat die deutsch-finnische Historikerin Kristina Spohr im Rahmen einer Neubetrachtung in mehrjähriger Forschungsarbeit umfassend ausgeleuchtet. In ihrem Buch mit dem Titel „Wendezeit. Die Neuordnung der Welt nach 1989“ beobachtet die Expertin für internationale Geschichte in neun Kapiteln das Agieren der Machthaber in dieser Ära der Transformation von der alten konfrontativen Bipolarität in eine Zeit, „die noch keinen Namen hat“, so Bundespräsident Roman Herzog im Jahr 1995. Im Zuge ihrer Recherchen verwendete Spohr zahlreiche bisher unbekannte Quellen und erhielt Einblick in kürzlich freigegebene Geheimdienstberichte, Mitschriften und persönliche Briefe. 

Gorbatschows Rolle

Am Beispiel Chinas, wo die Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 auf dem Tian’anmen-Platz in Peking blutig niedergeschlagen wurde, führt Spohr im ersten Kapitel vor Augen, wie alles anders für Deutschland und Europa hätte ablaufen können, wäre nicht Gorbatschow mit seinem Projekt einer tiefgreifenden Erneuerung auf den Plan getreten. Beleuchtet werden die Ereignisse des Zweiten Golfkriegs, die Verschlechterung der Lage in der Sowjetunion und die Zersplitterung Jugoslawiens. 

Damit hatte sich die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft der Menschheit erledigt. „Nach dem Kuwaitkrieg stellt niemand mehr die Realität einer einzigen Supermacht in Frage“, zitiert sie einen hochrangigen US-Politiker. Neue, gefährlichere Strukturen bildeten sich heraus, und folgerichtig wird der Blick im letzten Kapitel mit dem Titel „Erster Ausblick auf ein pazifisches Jahrhundert“ auf Asien gerichtet. 

Bei aller Ausführlichkeit sind die vielschichtigen Abläufe der Ereignisse auf 800 Textseiten ausgesprochen lesbar dargestellt. Hinzu kommt ein fast 200-seitiger Anhang. Folgerichtig muss sich der interessierte Leser bei der Lektüre dieser kompakten Studie auf die Bewältigung einer gewaltigen inhaltlichen Fülle einlassen. Eine Untergliederung der Kapitel wäre schon aus diesem Grund hilfreich gewesen, und es ist eigentlich nicht ersichtlich, warum dies unterblieben ist. 

Kristina Spohr: „Wendezeit. Die Neuordnung der Welt nach 1989“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2019, gebunden, 976 Seiten, 42 Euro