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13.11.20 / Übersterblichkeit Der Anstieg der Sterberate während der ersten Corona-Welle fiel zumindest in Deutschland niedriger aus als in mancher Grippewelle. Zudem ist sie nicht nur eine Folge des SARS-CoV-2 / Kein eindeutiges Indiz / Deutschlands Sterberate-Entwicklung spricht nicht für eine exorbitante Gefährlichkeit von Covid-19

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46 vom 13. November 2020

Übersterblichkeit Der Anstieg der Sterberate während der ersten Corona-Welle fiel zumindest in Deutschland niedriger aus als in mancher Grippewelle. Zudem ist sie nicht nur eine Folge des SARS-CoV-2
Kein eindeutiges Indiz
Deutschlands Sterberate-Entwicklung spricht nicht für eine exorbitante Gefährlichkeit von Covid-19
Wolfgang Kaufmann

In der Diskussion um die Gefährlichkeit des Virus SARS-CoV-2 und damit auch die Angemessenheit der Anti-Corona-Maßnahmen spielt die sogenannte Übersterblichkeit eine ganz zentrale Rolle. Dieser Begriff steht für die erhöhte Sterberate, die zumeist durch den Vergleich mit den Mittelwerten 

bestimmter Zeitabschnitte der Vergangenheit errechnet wird. Dabei gilt der Grundsatz, dass nachweislich gesundheitsschädliche Ereignisse wie eben Pandemien zu einer deutlich messbaren Übersterblichkeit führen müssten. Die entsprechenden Zahlen stellen Institutionen wie das Statistische Bundesamt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern (Destatis), das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) oder die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zur Verfügung. 

Letztere vermeldeten für die USA und die ersten drei Quartale dieses Jahres um die 300.000 Verstorbene mehr als sonst in den ersten neun Monaten eines Jahres üblich. Und Eurostat berichtete von einer auffälligen Übersterblichkeit in den drei am meisten von Corona betroffenen Ländern der EU zwischen März und Juni 2020: In Spanien habe es 48.000 Tote mehr gegeben, in Italien 46.000 und in Frankreich 30.000 mit Schwerpunkt Großraum Paris. Als unangefochtene Spitzenreiter in puncto Übersterblichkeit nannte die europäische Statistikbehörde indes Bergamo in Norditalien und Segovia in Spanien. In Bergamo stieg die Zahl der Verstorbenen in der zwölften Kalenderwoche vom 16. bis 22. März um 895 Prozent und in Segovia in der Woche darauf um 634 Prozent.

Keine gravierende Übersterblichkeit

Derart dramatische Werte wurden aus Deutschland nicht gemeldet. Trotzdem sind die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes über die demographischen Auswirkungen der Corona-Pandemie für die Bundesrepublik durchaus beachtenswert. Das Datenmaterial findet sich in der Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes „Sterbefälle. Fallzahlen nach Tagen, Wochen, Monaten, Altersgruppen und Bundesländern für Deutschland 2016–2020“. In ihr sind die Sterbezahlen vom 1. Januar 2016 bis zum 30. September 2020 aufgelistet.

So lassen sich die Sterbefälle der einzelnen Monate des laufenden Jahres in Relation zu den Durchschnittswerten dieser Monate innerhalb der letzten fünf Jahre setzen. Dabei tritt Folgendes zutage: Im Januar 2020 starben 1308 Menschen weniger als im Januardurchschnitt der letzten fünf Jahre, und im Februar 2020 betrug das Minus sogar 2873 Todesfälle. Dann gab es am 9. März 2020 die ersten beiden Covid-19-Opfer auf dem Boden der Bundesrepublik. Anschließend veränderten sich die Sterbezahlen dergestalt: Im März 2020 lag die Zahl sämtlicher in Deutschland gestorbener Menschen immer noch um 2191 unter dem Fünfjahresmittel für diesen Monat, im April dann allerdings um 5903 darüber. Ebenso starben im Mai, Juni, August und September 2020 mehr Menschen als sonst üblich. Das Plus lag bei jeweils 430, 1301, 3671 und 2576 Todesfällen. Dahingegen gab es im Juli ein Minus von 378. Nach einer gravierenden Übersterblichkeit sieht dies nicht aus. Immerhin zählte man vom 1. Januar bis zum 31. März 2020 ja insgesamt 6372 weniger Dahingeschiedene als im Fünfjahresmittel, bevor der Anstieg der Übersterblichkeit ab April dann zu einem finalen Überschuss an Toten bis zum 30. September von 7131 führte. Die offizielle Zahl der „an oder mit“ Corona Gestorbenen betrug zu diesem Zeitpunkt schon 9495.

Grippe- und Hitzewellen

Zudem relativieren sich die Angaben für 2020 bei einem Blick auf einzelne Zeitabschnitte in den Jahren zuvor. In den ersten neun Monaten der Jahre 2016 bis 2020 starben hierzulande im Durchschnitt 77.961 Menschen pro Monat. Dieser Mittelwert wurde in der Zeit vor der Corona-Pandemie mehrmals sehr deutlich überschritten, ohne dass dies zu irgendwelchen Alarmrufen oder gar Maßnahmen seitens der Politik geführt hätte. So gab es im März 2018 bemerkenswerte 107.104 Todesfälle und im Januar und Februar 2017 starben 96.033 beziehungsweise 90.649 Menschen. Verantwortlich hierfür waren saisonale Grippewellen (siehe rechts). Ebenso dürfte ein erheblicher Teil der Übersterblichkeit des Augusts 2020 – immerhin 3671 Tote über dem Fünfjahresmittelwert für diesen Sommermonat – auf Kosten der Hitzewelle zwischen dem 5. und 22. August gehen. Corona-Opfer soll es im August schließlich nur 156 gegeben haben.