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13.11.20 / Medien / Der gekaufte Journalist / Google sponsert europäische Zeitungsverlage – Unabhängige Berichterstattung steht auf dem Spiel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46 vom 13. November 2020

Medien
Der gekaufte Journalist
Google sponsert europäische Zeitungsverlage – Unabhängige Berichterstattung steht auf dem Spiel
Wolfgang Kaufmann

Der Siegeszug des Internets stürzte viele europäische Pressehäuser in eine tiefe Krise. Deshalb fehlte ihnen oft auch das Geld zur Erarbeitung tragfähiger digitaler Geschäftsmodelle, um dem Jammertal wieder zu entfliehen. 

Vor diesem Hintergrund avancierte der US-amerikanische Technologiekonzern Google zum Retter in der Not, weil er über seinen Digital News Innovation Fonds (DNIF) 200 Millionen Euro zur Verfügung stellte, mit denen die Modernisierungsbemühungen der Zeitungsverlage unterstützt werden sollten. Das Geld floss von 2013 bis 2019, und für die nächsten zwei Jahre hat Google nun eine neue, mit 250 Millionen Euro ausgestattete „Nachrichteninitiative“ angekündigt.

Bislang förderte der Konzern 645 Projekte in Europa, davon 92 in Deutschland, das damit an der Spitze der Empfängerstaaten steht – gefolgt von Großbritannien und Frankreich mit 76 beziehungsweise 75 Projekten. Wer hierzulande etwas von den durch Google ausgeschütteten 21,5 Millionen Euro erhielt, legen Alexander Fanta und Ingo Dachwitz jetzt im soeben erschienenen Arbeitsheft 103 der Otto-Brenner-Stiftung der Gewerkschaft IG Metall offen. 

Zahlungen blieben intransparent

Die Aufstellung der beiden Mitarbeiter der kritischen Internet-Plattform netzpolitik.org mit dem Titel „Medienmäzen Google. Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt“ gleicht dabei einem „Who is who?“ der deutschen Zeitungslandschaft: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Der Spiegel“, „Die Zeit“, „taz“, „Handelsblatt“, „WirtschaftsWoche“, „Der Tagesspiegel“, „Rheinische Post“, „Neue Osnabrücker Zeitung“ und so weiter und so fort. Manche Blätter wie die „Frankfurter Allgemeine“ und „Der Spiegel“ bekamen sogar gleich mehrere Projekte finanziert. 

Das meiste Geld von Google ging freilich an die Großverlage DvH Medien, Funke Mediengruppe und Gruner + Jahr. Diese erhielten nach den Recherchen von Fanta und Dachwitz wohl zwischen drei und zehn Millionen Euro. Genaueres lässt sich nicht sagen, weil weder Google noch die Empfänger der besonders umfangreichen Zuwendungen bereit waren, konkrete Summen zu nennen. 

Von den zehn größten Profiteuren des DNIF zeigte lediglich „Der Spiegel“ Transparenz und bestätigte den Erhalt von exakt 1,5 Millionen Euro. Auf jeden Fall kamen die kleineren Zeitungshäuser nur sehr kurz weg oder sahen gar kein Geld, womit sich wieder einmal die Spruchweisheit bewahrheitete: „Wer hat, dem wird gegeben.“

Gefahr journalistischer Selbstzensur

Die Spendierlaune von Google rührt natürlich nicht von ungefähr. Der Konzern erhofft sich davon eine wohlwollendere Berichterstattung seitens der europäischen Presse, auch wenn er angeblich keinen direkten Einfluss auf die Journalisten oder Redaktionen nehmen will. Zum Beispiel kann Google so seine Lobbyarbeit hinsichtlich der Behandlung von Urheberrechtsfragen vorantreiben – man zahlt nämlich nur höchst ungern Lizenzgebühren für die Nutzung des geistigen Eigentums anderer. 

Gleichzeitig strebt das US-Unternehmen an, zum dominierenden informationstechnologischen Akteur im Nachrichten-Ökosystem Europas zu werden. Was die im Pressebereich genutzten Suchmaschinen betrifft, fungiert es bereits jetzt als faktischer Monopolist.

Die Geldzuwendungen von Google fördern natürlich Abhängigkeiten und allerlei Formen journalistischer Selbstzensur. Das ist den Ausgehaltenen auch durchaus bewusst. Zur Entschuldigung äußerte ein deutscher Verlagsvertreter im anonymen Interview mit Fanta und Dachwitz: „Wir können … den moralisch sauberen Tod sterben oder wir machen halt unser Projekt.“ 

Darüber hinaus verleiten die Finanzspritzen zur Trägheit. Wer darauf setzt, dass der digitale Wandel im eigenen Hause von außen gesponsert und zugleich noch unter Ausschaltung jeglichen echten Wettbewerbs zwischen den Anbietern verschiedener IT-Konzepte vorangetrieben wird, der dürfte über kurz oder lang an Innovationskraft verlieren. 

Außerdem steht zu erwarten, dass es nach dem Bekanntwerden der korrumpierenden Nähe zu dem US-Datenriesen zu einem weiteren Leserschwund kommt, was die Situation vieler Blätter und Verlage noch prekärer machen dürfte.