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13.11.20 / Riester-Rente / Jeder fünfte Vertrag ist ruhend gestellt / Rund 3,3 Millionen Verträge werden aktuell nicht mit Beiträgen bedient. Diverse Vorschläge von unterschiedlicher Seite zur Reform der Altersvorsorge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46 vom 13. November 2020

Riester-Rente
Jeder fünfte Vertrag ist ruhend gestellt
Rund 3,3 Millionen Verträge werden aktuell nicht mit Beiträgen bedient. Diverse Vorschläge von unterschiedlicher Seite zur Reform der Altersvorsorge
Peter Entinger

Die „private Altersvorsorge weiterentwickeln und gerechter gestalten“, lautet eines der Ziele im Koalitionsvertrag von Union und SPD auf Bundesebene. Hierfür sei ein Dialog mit der Versicherungswirtschaft nötig mit dem Ziel einer zügigen „Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts“. Seitdem wurde viel gesprochen, noch mehr gerechnet, doch geschehen ist bis heute nichts Greifbares. 

Eines ist allerdings sicher, die Riester-Rente hat mittlerweile einen miserablen Ruf. Vorschläge aus der Finanzwirtschaft zu einer Verbesserung lägen bereits seit Monaten vor, nur der Gesetzentwurf lasse auf sich warten, kritisiert das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA). „Bis Dezember spätestens sollte ein Gesetzentwurf dazu vorliegen, damit dann ohne Verzögerung im Frühjahr 2021 das Gesetz verabschiedet werden kann. Dann gelingt die Reform noch in der laufenden Legislaturperiode“, erklärte DIA-Sprecher Klaus Morgenstern. 

Anteil an Neukunden stagniert

Die Kritikpunkte liegen auf der Hand. Die Riester-Rente laufe Gefahr, wegen der historisch niedrigen Zinsen und der bestehenden 100-Prozent-Beitragsgarantie „für die Kunden renditeschwach und für die Anbieter unwirtschaftlich zu werden“, heißt es in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt. Verfasst wurde das Schreiben vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dem Fondsverband BVI, dem Verband der Privaten Bausparkassen und der Gruppe der Landesbausparkassen. Das Problem der Riester-Rente für die Versicherer ist, dass die Versicherten mit Rentenbeginn mindestens ihre eingezahlten Beiträge in Form einer privaten Rente ausgezahlt erhalten. In Zeiten von Niedrigzinsen führt dieses dazu, dass die Versicherungsunternehmen nur noch in sehr sichere Anlagen mit sehr wenig Rendite investieren können. Bereits vor einigen Monaten hatte sich mit der Debeka daher eine Versicherungsgesellschaft aus dem Riester-Geschäft zurückgezogen. Mehr als 13 Millionen Deutsche zahlen in die Riester-Rente ein. Doch der Anteil an Neukunden stagniert seit Jahren. 

Dabei ist das Thema aktueller denn je. Aufgrund des demografischen Wandels haben ganze Generationen immer weniger aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwarten. Und nun kommt auch noch die Corona-Pandemie. „Wer in Kurzarbeit ist, zahlt weniger Rentenbeiträge.“ Deshalb werde das Rentenniveau für die jüngeren Arbeitnehmer wegen Corona letztlich nach unten gehen, prophezeit der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen. Für die heutigen Senioren dagegen werde das Rentenniveau „durch die politischen Fehler, die man in der Vergangenheit begangen hat, sogar steigen“. Raffelhüschen warnte gegenüber dem Südwestrundfunk (SWR) davor, mit Angst statt Zuversicht in die Zukunft zu schauen. „Unsere Eltern haben das Wirtschaftswunder in Deutschland zustande gebracht, obwohl sie mit Tuberkulose eine viel, viel schlimmere Krankheit am Hals hatten, als wir“, so der Rentenfachmann, der zum Beraterstab der Bundesregierung zählt. 

Verschärfung durch Corona

In der Vergangenheit hatte Raffelhüschen wiederholt für Modifikationen der Riester-Rente und eine längere Lebensarbeitszeit geworben. Viele Angebote zur Riester-Rente seien besser als ihr Ruf. Privates Sparen könne sich mit dem richtigen Produkt gerade für weniger vermögende Familien lohnen. Oftmals würden Versicherer die „falschen Verträge“ anbieten. Die „eine Riester-Rente“ gebe es nicht. Darüber hinaus fordert Raffelhüschen eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters über die festgeschriebenen 67 Jahre hinaus. Er plädiert für die Einführung eines Lebenserwartungsfaktors: „Der Zugewinn an Lebenserwartung wird so zwischen Arbeitszeit und Rentenbezugszeit aufgeteilt, dass jeder Jahrgang für ein Rentenbezugsjahr die gleiche Zahl an Beitragsjahren geleistet hat.“ Andernfalls drohe ein langfristiges Absinken der Rente.

Die Finanz-Lobby hatte Ende vergangenen Jahres einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, um das Riester-System zu vereinfachen und höhere Renditen für die Sparer zu ermöglichen. Darin fordern die Finanzverbände Standardprodukte „ohne komplizierte Wahlmöglichkeiten, die einfach zu beraten sind und entsprechend kostengünstiger angeboten werden können. Jeder selbst gezahlte Euro wird mit mindestens 50 Cent gefördert“, heißt es in einer Erklärung der Verbände. Außerdem drängen sie darauf, die Beitragsgarantie zu lockern, weil die 100-Prozent-Garantie „eine chancenreiche Kapitalanlage“ erschwere. 

Schon jetzt ist der Trend bedenklich. Jede fünfte Riester-Rente ist ruhend gestellt, die Sparer zahlen also keine Beiträge mehr ein. Konkret heißt das, dass rund 3,3 Millionen Verträge aktuell nicht mit Beiträgen bedient werden. Das ist für die Versicherer ein Problem – und für die Kunden. Denn abgesehen von der Beitragsgarantie wird die Zusatzrente angesichts des Niedrigzinsniveaus ziemlich dürftig ausfallen.