24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.11.20 / Literatur / Kleistischer Friedenssoldat / Hauptvertreter des literarischen Expressionismus – Der preußische Dramatiker Fritz von Unruh starb vor 50 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46 vom 13. November 2020

Literatur
Kleistischer Friedenssoldat
Hauptvertreter des literarischen Expressionismus – Der preußische Dramatiker Fritz von Unruh starb vor 50 Jahren
Harald Tews

Stellt man sich Heinrich von Kleists Dramen auf Expressionistisch vor, so landet man schnell bei Fritz von Unruh. Der vor 50 Jahren gestorbene Autor hatte zu Beginn seiner Dramatiker-Laufbahn – ebenso wie Kleist gut 100 Jahre zuvor – die preußische Offiziersehre hoch in Ehren gehalten und den Widerstreit von soldatischer Pflichterfüllung und persönlichen Gewissensentscheidungen thematisiert. Doch anders als die Werke Kleists geraten jene von Unruhs mehr und mehr in Vergessenheit, auch deshalb, weil er sich dem Zeitgeschmack sehr stark anpasste.

Rund 60 Jahre umfasst von Unruhs Schaffenszeit, die vier zeitgeschichtliche Epochen durchlief: Kaiserzeit, Weimarer Republik, Emigration sowie die Nachkriegsjahre in der Bundesrepublik. Seine stärksten Spuren als Autor hat er gleich zu Beginn seiner Karriere hinterlassen, in der er sich als einer der Hauptautoren der deutschen expressionistischen Literatur etablieren konnte. In metapherngetränktem Pathos hoffte er etwa, dass die Welt aus dem Krieg „frühlingsjung und stark vor Werdeglück“ hervorgehen werde.

Als preußischem Generalssohn war es für von Unruh eine Notwendigkeit, sich 1914 als Kriegsfreiwilliger zu melden. Geboren am 10. Mai 1885 in Koblenz, wohin sein aus altem preußischen Adel stammender Vater abkommandiert war, drückte er als Schüler in dem zur Kadettenanstalt umfunktionierten Plöner Schloss neben zwei Söhnen von Kaiser Wilhelm II. die Schulbank. 

Noch als Offizier beim Kaiserlichen Garderegiment verfasste er seine ersten Dramen, darunter 1911 „Offiziere“ über den Herero-Aufstand in Südwestafrika.Das stieß damals auf solch wenig Gegenliebe bei seinen Vorgesetzten, dass er aus dem Regiment ausscheiden musste. Mit seinem Stück „Louis Ferdinand Prinz von Preußen“ über den Tod des Prinzen in den Napoleonischen Kriegen und der Niederlage Preußens im Jahr 1806 eckte von Unruh direkt beim Kaiser an: Der ließ das Stück 1913 verbieten, sodass man es erst 1921 nach dessen Sturz uraufführte. 

Dennoch war von Unruh zu Beginn des Ersten Weltkriegs großer Patriot. Praktisch noch im Schützengraben an der Westfront schrieb er für die Heimatpropaganda mit den Dramen „Vor der Entscheidung“ und „Ein Geschlecht“ sowie der Erzählung „Verdun“ (später unter dem Titel „Opfergang“ veröffentlicht) einige seiner bekanntesten Werke. Da die Zensur an manchen Stellen Anstoß nahm und von Unruh nach 1916 eine Kehrtwende zum Pazifisten vollzog, überarbeitete er die Werke in einem Maß, dass man sie als Antikriegsliteratur begreifen konnte. In der Verstragödie „Ein Geschlecht“, die er seinem 1915 gefallenen Bruder Erich gewidmet hat und in der eine Mutter den Tod dreier Söhne verkraften muss, lässt er sie ausrufen: „Wie können wir den Wahnsinn weiter dulden, / der diesen Bau der Menschheit, den wir schufen, / sinnlos zerschlägt und die Gräber schleift!“ 

Damit hatte von Unruh noch im Krieg die Kurve gekriegt, um in der Weimarer Republik als bühnentauglicher Autor Anerkennung zu finden. 1927 feierte er einen Erfolg mit seinem Historien-Drama „Bonaparte“, in dem er mit einem Rückgriff auf die Geschichte hellsichtig in die Zukunft einer NS-Diktatur blickt. Seinen größten Aufritt als Mahner hatte er 1932, als er im Berliner Sportpalast vor 20.000 Zuhörern vor einem neuen Vernichtungskrieg warnte: „Danach werden auf dem Potsdamer Platz die Schafe grasen!“

Inzwischen war er längst im damaligen Mainstream angekommen. Die liberale Stadt Frankfurt am Main gewährte ihm am Mainufer in einem historischen Rententurm sogar ein Wohnrecht auf Lebenszeit. Davon machte er aber nur bis 1933 Gebrauch. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, einem Einbruch rechter Gegner im Rententurm und der Bücherverbrennung, der auch seine Werke zum Opfer fielen, zog er aus dem Turm aus und emigrierte über Italien, Frankreich und Spanien in die USA. 

Nachdem seine Wohnung in Atlantic City von einer Sturmflut zerstört worden war, nahm von Unruh 1963 ein erneutes Wohnrecht in Frankfurt an, aber nicht in dem Rententurm – dieser brannte im Krieg aus –, sondern in der neunten Etage eines Hochhauses. Doch so ganz heimisch wurde der Goethepreisträger von 1948 in Deutschland nicht mehr. Der von seinem Freund Albert Einstein als „Friedenssoldat“ gepriesene Autor publizierte eifrig weiter, doch ein Comeback gelang ihm nicht mehr. Als er am 28. November 1970 im Alter von 85 Jahren auf seinem Familiengut in Diez an der Lahn starb, waren der Expressionismus und seine Werke längst aus der Mode. 


Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/footer.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 53