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13.11.20 / Ornithologie / Freispruch für einen Galgenvogel / Elstern gelten als diebisch – Das beruht auf einem Irrglauben, an dem nichts dran ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46 vom 13. November 2020

Ornithologie
Freispruch für einen Galgenvogel
Elstern gelten als diebisch – Das beruht auf einem Irrglauben, an dem nichts dran ist
Silvia Friedrich

In unseren Parks und Gärten ist in dieser Jahreszeit noch häufig ein Vogel zu sehen, der keinen guten Ruf besitzt. Es heißt, er würde klauen. Diesem schrägen Vogel hat der italienische Komponist Gioachino Rossini sogar eine Oper gewidmet: „La gazza ladra“, „Die diebische Elster“.

Die zu den Rabenvögeln gehörenden Elstern sollen glänzenden Gegenständen nicht widerstehen können. Man glaubte lange, dass die Vögel blinkende Ringe, Silber, Alufolien oder Münzen stehlen und in ihr Nest bringen. Britische Forscher haben das inzwischen als Volksglauben enttarnt. Im Experiment mieden die Vögel Schmuckstücke und zeigten diesen gegenüber sogar extremes Misstrauen. 

Elstern sind jedoch sehr neugierig und überwinden schnell die Angst vor Neuem. Der Irrglaube rührt wohl daher, dass man Elstern früher dabei beobachtet hatte, wie sie etwas Glänzendes mitgenommen haben, weshalb sich daraufhin verbreitete, sie liebten blinkende Dinge. Elstern sind Allesfresser und nehmen sowohl Pflanzliches, wie Früchte, Samen und Pilze, als auch Tierisches wie Insekten, Würmer und Aas zu sich.

Sie erkennen sich im Spiegel

Die klugen Vögel können sich sogar im Spiegel erkennen. Diese Fähigkeit ist bei Tieren nicht selbstverständlich. Bislang sind nur fünf Tierarten bekannt, die dazu in der Lage sind: Menschenaffen, Delfine, Schweine, Asiatische Elefanten und Elstern. An der Ruhr-Universität Bochum haben Forscher einmal Elstern mit einem gelben oder schwarzen Fleck auf dem Gefieder unter dem Schnabel markiert. Für die Vögel waren diese Punkte im toten Winkel. Anschließend setzte man sie in einen Testkäfig, in dem eine Wand verspiegelt war. Waren die Elstern mit einem gelben Punkt markiert, erkannten sie es im Spiegel und begannen durch Kratzen, sich den Fleck zu entfernen. Das bewies, dass sie sich im Spiegel erkennen können.

Die Vögel, die sich in Laubbäumen kugelförmige Nester anlegen, merken sich auch den Standort von Futtervorräten, sind also in der Lage, Orte wiederzuerkennen. Jetzt im Herbst legen sie sich in der Erde Nahrungsspeicher an, von denen sie den Winter über, da sie nicht wie Zugvögel in den Süden fliegen, zehren.

In der Mythologie der Germanen galten Elstern als Götterboten, aber auch als Vögel der Todesgöttin Hel. Im Mittelalter hielt man sie für ein Hexentier und Galgenvogel. Entsprechend unbeliebt waren sie. In Asien jedoch sieht man in ihnen einen Glücksvogel, und Nordamerikas Indianer schätzen sie als Geistwesen, das mit den Menschen befreundet ist. Doch in erster Linie sind Elstern intelligente Vögel – jedoch keine Diebe.