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13.11.20 / Umbrüche / Anleitung zur Selbstbesinnung / Mutter und Tochter veröffentlichen Texte, die Mut machen sollen und in denen sie die Situation zur Zeit der „Wende“ mit heute vergleichen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46 vom 13. November 2020

Umbrüche
Anleitung zur Selbstbesinnung
Mutter und Tochter veröffentlichen Texte, die Mut machen sollen und in denen sie die Situation zur Zeit der „Wende“ mit heute vergleichen
Silvia Friedrich

Ein dichtes Netz von Linien und Strängen ergibt ein Geflecht. Ein Flechtwerk aus Worten, bestehend aus den unterschiedlichsten Farben und Gefühlen, ganz bewusst miteinander zu verweben, hatten die Autorinnen Franziska und Teresa Trauth zum Ziel, als sie das Buch „Wenn die Nachtigall mitten am Tage singt“ schrieben.

Nicht zufällig beginnt das Werk mit „Wendetexten“, die in der Zeit vor 30 Jahren spielen. Auch damals war es eine Zeit des Umbruchs, des Neuanfangs, als niemand wusste, wohin die Reise letztendlich führen sollte. So ähnlich geht es vielen heute im Angesicht einer nie gekannten Pandemie und deren Auswirkungen. 

Erzählungen, Kurzgeschichten und Gedichte mit Titeln wie „Wenn der Felsenfriedhof im Süden gefährliche Zeiten verkündet“, „Wenn ein Clowns-Gesicht zur Fratze wird“,  „Wenn das zugemauerte Brandenburger Tor als 30 Jahre altes Déjà-vu auftaucht“ oder „Wenn die Angst vor dem Virus das geschenkte Veilchen fallen lässt“ regen zum Nachdenken und oft auch zum Wiedererkennen so mancher beschriebenen Situation an. 

Die auf einem Thüringer Bauernhof in der Nähe Weimars geborene Franziska Trauth war zuletzt als Studiendirektorin an einem Berliner Gymnasium tätig. Als die „Wende“ kam, lief sie in Berlin auf der Allee Richtung Siegessäule, die Ost-Bürgern bis dahin versperrt war und fühlte sich frei, viel freier als heute, wie sie schreibt, da alles erreichbar scheint. 

Die Zeit jetzt erinnert die beiden Autorinnen, Mutter und Tochter, an die „Wende“ damals. So wollten sie besonders augenfällige Situationen beschreiben, die aus dem Alltäglichen herausfallen, um den Blick der Leser zu schärfen in Richtung Selbstbesinnung. Es wäre schön, wenn die Menschen über Existentielles nachdächten in dieser Zeit, von der niemand weiß, was sie bringen wird. 

Die Texte seien, so Trauth, letztendlich eine Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten. Und wer ehrlich mit sich sei, werde diese auch bei sich selbst feststellen. Heute seien alle Menschen auf der ganzen Welt in ein und derselben Lage und müssten sich fragen, wohin sich die Menschheit entwickelt im Angesicht der Pandemie.

Phantasie anregende Illustrationen der Theaterschauspielerin Teresa Trauth bereichern das Werk und bilden ab, was man in Wort und Schrift nicht sagen kann. Die elfjährige Enkelin der Autorin beschreibt in ihrem Schlusswort das, was jeder von uns denkt: Wann wird alles wieder normal werden? 

Franziska und Teresa Trauth: „Wenn die Nachtigall mitten am Tage singt“, Trafo Literaturverlag, Berlin 2020, broschiert, 70 Seiten, 12,80 Euro