20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.11.20 / Georgien / Duell zweier Erzrivalen / Massenproteste in Tiflis – Ex-Präsident Michail Saakaschwili zieht die Fäden aus dem Exil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47 vom 20. November 2020

Georgien
Duell zweier Erzrivalen
Massenproteste in Tiflis – Ex-Präsident Michail Saakaschwili zieht die Fäden aus dem Exil
Manuela Rosenthal-Kappi

Die US-Präsidentenwahl hat viele weltpolitische Ereignisse in den Schatten gerückt. So hätte die Parlamentswahl in Georgien Ende Oktober kaum Beachtung gefunden, wäre es nicht zu Massenprotesten der Opposition mit 45.000 Teilnehmern gekommen. Sie wirft der Regierungspartei „Georgischer Traum“ Wahlbetrug, Stimmenkauf sowie Manipulation vor und fordert Neuwahlen. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa halten die Wahl dagegen für korrekt gelaufen. Nur gelegentlich habe es Unregelmäßigkeiten gegeben.

Es sind die Kontrahenten Michail Saakaschwili und Bidsina Iwanischwili, die seit Jahrzehnten die Politik in Georgien beeinflussen. Vor acht Jahren gelang es dem Milliardär Iwanischwili, der zuvor die Rosenrevolution seines späteren Gegners Saakaschwili finanziert hatte, diesen zu besiegen. 2011 gründete Iwanischwili eine Bürgerbewegung, aus der 2012 die Partei „Georgischer Traum“ hervorging, der damals ein erdrutschartiger Sieg beschieden war. 

Saakaschwili steuerte von seinem ukrainischen Exil aus die aktuelle Wahl in seiner Heimat, in die er wegen eines gegen ihn verhängten Haftbefehls zurzeit nicht zurückkehren kann. 

Die Außenpolitik hat im georgischen Wahlkampf keine Rolle gespielt, obwohl in Bergkarabach in unmittelbarer Nachbarschaft ein Krieg tobte. Georgien sieht sich als neutrale Stabilitätsinsel im Südkaukasus. Für die Bürger waren Themen wie Arbeitsplätze und Gesundheit vorrangig. Sowohl Iwanischwili als auch Saakaschwili wollen ihr Land in die EU und die NATO führen. Bei der Wahl zwischen beiden entschied sich die Mehrheit dann doch für Iwanischwili, der zwar kaum Reformen durchführt, aber als weniger brutal gilt denn sein Kontrahent. Als Saakaschwili 2007 mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten durchgriff, führte dies zum Zerwürfnis mit Iwanischwili. Bei der aktuellen Auseinandersetzung mit Demonstranten setzt die Regierung allerdings die gleichen Mittel ein.

Zu Saakaschwilis Erfolg zählt zweifelsfrei, dass er – mit westlicher Unterstützung – Georgien zu einem funktionierenden Staat umgestaltet hat, allerdings entwickelte er sich im Laufe der Zeit zu einem Despoten, weshalb die Georgier bei seiner möglichen Rückkehr erneute Repressionen befürchten. 

Iwanischwili, dem der Ruf eines „Agenten des Kreml“ beharrlich anhaftet, obwohl die Kontakte nach Moskau auf Eis liegen, kann die Visafreiheit und ein Freihandelsabkommen mit der EU als Erfolg verbuchen.