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20.11.20 / Geldentwertung / Die Inflation wird kommen / Die Notenbanken drucken Geld ohne Ende, doch die Konsumgüterpreise stagnieren – Warum sich das ändert, sobald die Corona-Krise vorbei ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47 vom 20. November 2020

Geldentwertung
Die Inflation wird kommen
Die Notenbanken drucken Geld ohne Ende, doch die Konsumgüterpreise stagnieren – Warum sich das ändert, sobald die Corona-Krise vorbei ist
Hans Hheckel

Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind die Verbraucherpreise im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,2 Prozent zurückgegangen. Das mag verblüffen, wo Experten doch davor warnen, dass die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken wie der Europäischen Zentralbank (EZB) die Inflation eigentlich in die Höhe treiben müsste.

Die Rechnung ist im Grunde ganz einfach: Wenn immer mehr Geld auf eine gleichbleibende Menge an kaufbaren Waren und Dienstleistungen trifft, müsste der Geldwert fallen, das Preisniveau also steigen – so das Prinzip. Und seit einem Jahrzehnt schon pumpt die EZB „überzähliges“ Geld in Massen in den Markt, um bankrotte Staaten, Banken und Firmen nach der Finanzkrise von 2008 am Leben zu halten. Die gigantischen Corona-Fonds haben diesen Trend zur Geldvermehrung noch einmal dramatisch verschärft.

Die Hilfsgelder fließen absichtlich genau dahin, wo sich realwirtschaftlich besonders wenig tut, etwa in durch die Corona-Maßnahmen lahmgelegte Wirtschaftszweige oder schwer gebeutelte Euro-Staaten. Eigentlich ist es der EZB vertraglich verboten, Staaten „aus der Notenpresse“ zu finanzieren. Die Zentralbank umgeht das Verbot mit einem Trick: Geschäftsbanken geben den Regierungen zunächst das Geld und bekommen dafür die Schuldtitel der Staaten (Staatsanleihen). Diese verkaufen sie dann an die EZB weiter. 

Ohne die Aussicht, die Titel an die EZB weiterreichen zu können, ließen die Geschäftsbanken wohl die Finger von den Staatsschuldpapieren, da diese derzeit so gut wie gar nicht oder sogar negativ verzinst werden. Grund: Die hoch verschuldeten Staaten können sich Zinsen auf ihre exorbitanten Schulden gar nicht mehr leisten. Das gleiche Spiel läuft längst auch mit Anleihen großer Unternehmen.

Menschen halten ihr Bares fest

So also wächst und wächst die Geldmenge und mit ihr das bereits krasse Missverhältnis zur stagnierenden Menge an Waren und Dienstleistungen, die man dafür kaufen könnte. Doch die Preisinflation springt dennoch nicht an, zumindest laut Statistischem Bundesamt. Wie das?

Die Antwort: Preistreibend wirkt eine wachsende Geldmenge erst, wenn sie zum Kaufen benutzt wird. Geld, das gehortet wird, hebt die Nachfrage nicht und damit auch nicht die Preise. Auf einem Wochenmarkt können die Kunden die Taschen voller Barem haben – solange sie nichts kaufen, werden die Anbieter ihre Preise senken. Erst, wenn die Menschen die Stände stürmen und kaufen wollen, wächst für die Anbieter der Spielraum für Preisanhebungen. Dann erst gebiert die „Geldmengeninflation“ auch eine „Preisinflation“.

Derzeit aber halten die Menschen ihr Geld fest, aus Angst und Verunsicherung über die nahe Zukunft. Wohlhabende, die über größere Summen verfügen, sind da schon anders ausgerichtet: Sie leiden unter Nullzinsen und suchen nach Anlagemöglichkeiten. So sind, wider Erwarten, die Immobilienpreise sogar während der Corona-Krise ungebremst weitergestiegen. Auch dem Aktienmarkt scheint die wirtschaftliche Flaute, anders als sonst, kaum etwas anhaben zu können. Gold hat sich auf hohem Niveau stabilisiert.

Dagegen stagnieren die Preise für Konsumgüter. Die Preise blieben hier stabil, obwohl die Geldmenge in ungekannte Höhen geschraubt wurde und weiter wird. Doch das könnte sich dramatisch ändern, und zwar auf eine für den Normalverbraucher tückische Weise. Nämlich just in dem Moment, wenn die Corona-Krise überwunden ist. Erleichtert über das Ende der Gefahr werden die Menschen ihr Geld wieder ausgeben. Dann steigen die Preise, der Geldwert verfällt auch gegenüber Konsumgütern. Zudem wird in dem Moment spürbar, dass viele Anbieter in der Krise pleitegegangen sind oder ihr Angebot reduziert haben. Die Folge: Eine freudig steigende Nachfrage trifft auf ein durch die Krise verringertes Angebot. Das ist der Augenblick, in dem die Preisinflation alle Marktbereiche erfasst und damit jeden trifft.

Was kann man dagegen tun? Die Notenbank kann, um die Preisexplosion aufzuhalten, zweierlei unternehmen: Sie kann klassischerweise die Zinsen erhöhen. Das animiert die Menschen, ihr Geld auf die hohe Kante zu legen. Es ist dann zwar noch da, erzeugt aber erst einmal keine Nachfrage und wirkt damit nicht mehr preistreibend. Außerdem werden bei höheren Zinsen Kredite teurer, was die Neigung zu Ratenkreditkäufen, Hypothekenaufnahmen oder Ähnlichem bremst. Dieser Weg wird diesmal aber weitgehend versperrt bleiben: Staaten, Banken und auch viele Unternehmen sind derart verschuldet, dass schon geringe Zinserhöhungen den Ruin bedeuten könnten. Dieses Risiko wird die EZB nicht eingehen wollen und die Zinsen daher trotz Inflation niedrig halten.

Ein anderer Weg, die umlaufende Geldmenge wieder zu verringern, wäre es, dass die EZB die eingesammelten Schuldtitel an Anleger verkauft, deren Geld dann ebenfalls gebunden wäre. Doch hat die Notenbank ja vor allem miserable Anleihen mit lausigen Zinsen erworben, um bankrotte Staaten, Banken oder Firmen zu unterstützen. Kaum ein Investor wird diese Anleihen übernehmen wollen. 

Damit steht die EZB einem kommenden Inflationsschub weitgehend wehrlos gegenüber. 1923 wird sich zwar nicht wiederholen, aber ein drastischer Verfall des Euro und der anderen Papierwährungen ist kaum aufzuhalten, wenn er erst einmal Fahrt aufgenommen hat.