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20.11.20 / Die historische Mitte der Stadt / Wo heute das Kaliningrader „Haus der Räte“ steht, stand einst das Königsberger Schloss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47 vom 20. November 2020

Die historische Mitte der Stadt
Wo heute das Kaliningrader „Haus der Räte“ steht, stand einst das Königsberger Schloss
Wulf D. Wagner

Im Jahre 1255 zog der Deutsche Orden unter Führung des böhmischen Königs Ottokar II. zur Unterwerfung des prußischen Samlands Richtung Nordosten. An der Stelle der eroberten Feste Tuwangste wurde eine neue Burg gegründet, die zu Ehren des Böhmen den Namen „Königsberg“ erhielt. Schnell richtete der Orden diese zum Mittelpunkt des noch zu erobernden Prußenlandes ein. Als Sitz des Obersten Marschalls, des Heerführers des Ordens, erfolgte bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts ihr Ausbau zu einer der elegantesten spätgotischen Anlagen Nordosteuropas, in der sich Fürsten und Ritter ganz Europas zu Kriegszügen ins noch heidnische Litauen trafen. 

Mit dem Verlust der Marienburg 1457 an Polen und der Übersiedlung des Hochmeisters nach Königsberg wurde die Stadt zur Kapitale des dem Orden verbliebenen Staates. Einen erneuten geistig-kulturellen Aufstieg erlebte sie unter dem fränkischen Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach. Dieser konnte 1525 sein geschwächtes Land nach Gesprächen mit Martin Luther und mit Einverständnis des polnischen Königs in ein Herzogtum umwandeln. Preußen wurde der erste protestantische Staat. Die mittelalterliche Burg ließ der nun zum Herzog avancierte Albrecht unter Heranziehung vor allem süddeutscher Künstler im Stil der Frührenaissance umgestalten, mit eleganten Balkendecken, Sgraffitofassaden und einer reichen Ausstattung. Herzog Georg Friedrich ließ Ende des 16. Jahrhunderts den neuen Westflügel mit der Schlosskirche und dem riesigen Moskowitersaal errichten. 

Residenzschloss der Hohenzollern

1618 kam es durch Erbfall zur Personalunion Brandenburg-Preußens. Die brandenburgischen Kurfürsten hielten sich stets auch in ihrem östlichen, nicht vom Dreißigjährigen Krieg berührten Land auf. Königsberg erlebte eine neue Blüte. Vor allem der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm wandte sich der Neuausstattung zu, nunmehr im Stil eines frühen Barocks – noch vor seiner Bautätigkeit in und um Berlin.

Als der Kurfürst die polnische Lehnshoheit über das Herzogtum abschüttelte, schuf er die Grundlagen für den Erwerb der Königswürde durch seinen Sohn Friedrich III./I. Dessen Selbstkrönung am 18. Januar 1701 in Königsberg war einer der hohen Tage der Geschichte jenes Staates, der nunmehr den Namen seines östlichen Landes annahm: Preußen. 

Der König entschloss sich – wie in Berlin – zum Umbau des Königsberger Schlosses. Teile des Ostflügels wurden abgebrochen und mit den Arbeiten zu einem großen Barockflügel begonnen. Doch die wirtschaftliche Lage verhinderte, dass nach des Königs Tod 1713 unter seinem sparsamen Sohn Friedrich Wilhelm I. weitergebaut wurde. Im 18. Jahrhundert erlebte das Schloss seinen Niedergang. Verwahrlosung sorgte für den Verlust nahezu der gesamten älteren Ausstattung. Die Könige lebten bei ihren seltenen Reisen zumeist in einem Adelspalais. Allein während des Siebenjährigen Krieges wurden Räume unter der russischen Besatzung als Sitz des Gouverneurs verschönert. 

Erst unter Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise wurden Königsberg und sein Schloss noch einmal Zentrum des preußischen Staates, als sich zwischen 1806 und 1809 der vor Napoleon geflohene Hof hier aufhielt und von hier die Stein-Hardenbergschen Reformen wie die Befreiung von der französischen Fremdherrschaft ihren Ausgang nahmen. Baulich war im 19. Jahrhundert die Errichtung einer Turmspitze 1864/65 die auffälligste Veränderung. 

Nachdem das Schloss 1918 seine Residenzfunktion verloren hatte, wurde es zu einem bedeutenden Landesmuseum. Legendär war das Weinlokal Blutgericht in gewölbten Kellern. Ansonsten wird das Schloss im 20. Jahrhundert oft mit dem Bernsteinzimmer in Verbindung gebracht, das 1941 in Zarskoje Selo bei St. Petersburg „sichergestellt“ und hier eingebaut worden war und seit seiner Auslagerung gegen Ende des Krieges wie fast alle anderen Sammlungen als Kriegsverlust gilt. 

Britische Luftangriffe im August 1944 und die Kämpfe um die Stadt 1945 legten das Schloss in Schutt und Asche. Ende der 1960er Jahre wurden die Reste gesprengt. 

Der Autor ist Verfasser des Werks „Das Königsberger Schloss. Eine Bau- und Kulturgeschichte“ (Schnell & Steiner)