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20.11.20 / Yukio Mishima / Putschversuch und Selbstmord eines Künstlers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47 vom 20. November 2020

Yukio Mishima
Putschversuch und Selbstmord eines Künstlers
Erik Lommatzsch

Am 25. November 1970 überfiel Yukio Mishima mit vier weiteren Männern der von ihm initiierten paramilitärischen Einheit „Tatenokai“ (Schildgesellschaft) das Hauptquartier der japanischen Streitkräfte in Tokio. Er galt zu seiner Zeit als bekanntester Schriftsteller des Landes, erreichte international hohe Auflagen und war Anwärter auf den Nobelpreis. Vom Balkon der Kommandantur forderte Mishima die Armee zum Putsch auf. Ziel war die Restauration des alten Japan, mit dem Tenno als göttlichem Kaiser. Resonanz blieb aus. Mishima und seine Leute zogen sich in das Gebäude zurück, er und sein Mitstreiter Hissho Morita begingen Seppuku, den rituellen Selbstmord durch Bauchaufschlitzen.

Der Japan-Kenner Donald Keene, ein enger Freund, urteilte: „Mishimas Kaiserkult war jedoch keineswegs naiver Fanatismus, sondern ein Ausdruck seines ‚aktiven Nihilismus‘, der Glaube an ein Ideal, das hoch über der Wirklichkeit steht.“ 

1925 in Tokio geboren, hatte Mishima frühzeitig seine Stellung im Finanzministerium aufgegeben, um sich dem Schreiben zu widmen. Der erste große Erfolg war 1949 der Roman „Geständnis einer Maske“, hochgelobt von der Kritik und zugleich ein Skandal. Homosexualität und Sadomasochismus waren immer wieder Themen des äußerst produktiven Schriftstellers, der unter anderem auch als Schauspieler wirkte.

Der Linie der japanischen Ästhetik folgend, ging Mishima davon aus, dass jede Schönheit vergänglich sein müsse. Er war überzeugt, dass das Alter „unendlich hässlich“ sei. Als Anhänger der Samurai-Idee äußerte er: „Das Ziel meines Lebens war es, all die verschiedenen Eigenschaften eines Kriegers zu erwerben.“ Seiner ursprünglich schwächlichen Konstitution begegnete er durch intensives Training. So betrieb er etwa Boxen und Kendo, die alte Schwertkunst, die auch auf geistige Schulung setzt.

Mishima versuchte, sich gegen das Verschwinden der Traditionen und die Verwestlichung seiner Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg zu stemmen. Das gipfelte schließlich in dem Putschversuch. Vieles spricht dafür, dass es ihm weniger um dessen Erfolg an sich ging, als vielmehr um ein Lebensende nach seinen Vorstellungen. Das abschließende Manuskript seiner großen Tetralogie „Das Meer der Fruchtbarkeit“ hatte er unmittelbar vor der Tat, also ebenfalls am 25. November 1970, an den Verlag geschickt.