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20.11.20 / Liberale / Der gewiefte Taktiker aus dem hohen Norden / FDP-Vize Wolfgang Kubicki treibt Parteichef Christian Lindner vor sich her – Ihn treibt die Furcht vor dem Untergang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47 vom 20. November 2020

Liberale
Der gewiefte Taktiker aus dem hohen Norden
FDP-Vize Wolfgang Kubicki treibt Parteichef Christian Lindner vor sich her – Ihn treibt die Furcht vor dem Untergang
Peter Entinger

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sucht die FDP nach ihrer Rolle. Während Parteichef Christian Lindner für viele Liberale zu vorsichtig agiert, haut dessen Vize Wolfgang Kubicki ordentlich auf die Pauke. 

Eine solche Aufgabenteilung wäre an und für sich nicht ungewöhnlich, hätte Kubicki nicht noch ein weiteres, wichtiges Amt inne. Der 68-Jährige ist Vizepräsident des Deutschen Bundestages und als solcher eigentlich der Neutralität verpflichtet. Doch den Alt-Liberalen aus Schleswig-Holstein treibt die Sorge um seine Partei um. In allen relevanten Umfragen rangiert die FDP zwischen fünf und sieben Prozent. Eine schwarz-gelbe Bundesregierung nach den Bundestagswahlen im September 2021 ist derzeit utopisch weit entfernt. Viele in der Partei fürchten ein zweites „2013“, sollte sich abzeichnen, dass die Union zwischen einem Bündnis mit der SPD und einem mit den Grünen wird wählen können. Damals lag die FDP ebenfalls in den Umfragen knapp über der Sperrklausel, verpasste dann aber erstmals in ihrer Geschichte den Einzug in den Bundestag. 

Als Erneuerer taugt er nicht mehr

Unter Parteichef Lindner gelang ihr vier Jahre später zwar eine spektakuläre Rückkehr, doch die Zeiten der außerparlamentarischen Opposition haben die Partei ausgezehrt. Bundesweit bekannte Spitzenleute sucht man neben Lindner und Kubicki vergeblich. Doch mit fast 70 Jahren taugt der Haudegen aus Kiel nicht mehr zum Erneuerer. Beobachter des politischen Geschehens in Berlin stellten überdies zuletzt erstaunt fest, dass die Gräben zwischen Union und FDP so tief seien wie schon lange nicht mehr. 

Als der Bundestag vor drei Wochen über den Lockdown diskutierte, erhielt Lindner dagegen Beifall vonseiten der AfD. In ihrer Kritik an den Anti-Corona-Maßnahmen sind sich Liberale und Alternative erstaunlich nahe. Ein gemeinsames Feindbild haben sie auch: den bayerischen Ministerpräsidenten und Corona-Hardliner Markus Söder. „Es gibt nicht nur die AfD, auch andere politische Kräfte, die tagtäglich versuchen, die gesamten Maßnahmen zu relativieren und die Bevölkerung nahezu aufzurufen, nicht mitzumachen“, schimpfte Söder in Richtung der Liberalen. 

Die AfD immer scharf im Blick

Der Konter aus Kiel kam prompt. „Markus Söder ist eine traurige Figur“, so Kubicki, „er hat die schlechtesten Corona-Zahlen zu verantworten und muss jetzt auf andere einprügeln, damit er von seinem miserablen Management ablenken kann.“ 

Es ist kaum vorstellbar, dass Union und FDP in naher Zukunft noch einmal zusammenfinden. Aber darum geht es Kubicki gar nicht. Seine politische Karriere neigt sich dem Ende zu, nun geht es ihm darum, zu retten, was für die FDP zu retten ist. Das Kalkül ist klar. Vor allem Mittelständler wie Gastronomen sind von den Corona-Maßnahmen betroffen. Ihre Wut ist groß, die Existenzangst noch größer. In internen Runden hat Kubicki wiederholt gewarnt, diese Klientel der AfD zu überlassen. Der Jurist ist gewieft. In Plenardebatten legt er sich genüsslich mit den Vertretern der Rechtspartei an, wenn es um die Maskenpflicht geht. Doch kaum hat er die parlamentarische Zwangsjacke abgelegt, muntert er Betroffene auf, gegen die Verordnungen zu klagen.