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27.11.20 / Grüne / Mit bürgerlicher Rhetorik nach links gerückt / Trotz einer gelungenen Inszenierung zeigen die Grünen in ihrem neuen Grundsatzprogramm, dass sie im Kern noch immer keine Partei der Mitte sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48 vom 27. November 2020

Grüne
Mit bürgerlicher Rhetorik nach links gerückt
Trotz einer gelungenen Inszenierung zeigen die Grünen in ihrem neuen Grundsatzprogramm, dass sie im Kern noch immer keine Partei der Mitte sind
René Nehring

Jede Zeit hat ihre Farbe.“ Unter diesem Motto hielten Bündnis 90/Die Grünen am vergangenen Wochenende ihren Bundesparteitag ab, um ein neues Grundsatzprogramm zu beschließen. Wobei klar war, dass mit der richtigen Farbe für unsere Zeit die grüne gemeint war. Auch sonst gaben sich die Spitzen der einstigen Anti-Parteien-Partei selbstbewusst und alles andere als bescheiden: „Machen wir 2021 zum Beginn einer neuen Epoche“, rief etwa die Parteivorsitzende Annalena Baerbock gleich zu Beginn aus. Und ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck erklärte, dass ein Wort wie „Macht“ für die Grünen künftig kein „Igitt-Begriff“ mehr sein dürfe. 

Nicht nur wegen dieser Töne lohnt ein kritischer Blick auf die Inszenierung des vergangenen Wochenendes und vor allem auf die Inhalte des neuen Grundsatzprogramms. Denn zum einen ist nach den aktuellen Umfragen ein Bündnis aus CDU und Grünen die einzige Regierungsoption jenseits der jetzigen schwarz-roten Koalition. Zum anderen bestimmen die Grünen aufgrund ihrer Beteiligung an elf Landesregierungen schon heute die Geschicke des Landes gehörig mit. Und nicht zuletzt haben sie in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie mit ihrer Programmatik (siehe Atom-Ausstieg und Energiewende, Abschaffung der Wehrpflicht, Migrationspolitik und Wandel des Familienbildes) die eigentlichen Stichwortgeber der Ära Merkel sind. 

Das Problem für die Grünen als Partei ist jedoch bislang, dass ihnen seit dem Ende der Ära Schröder-Fischer der Zugang zur Macht im Bund verwehrt ist. Mögen Baerbock, Habeck & Co. auch die Könige der Talkshows sein – die Entscheidungen fällen andere. Dies vor allem soll sich mit dem neuen Grundsatzprogramm ändern. Schon im Vorfeld und erst recht während des Parteitags formulierte die Parteispitze um das medial omnipräsente Führungsduo deshalb nicht nur ihren Machtanspruch, sondern sie inszenierte sich als Partei einer modernen Bürgerlichkeit, einschließlich einer gediegenen Wohnzimmerkulisse im Hintergrund. Beziehungsweise: Sie versuchte es. 

Denn sowohl der Parteitagsverlauf als auch das beschlossene Grundsatzprogramm lassen Zweifel aufkommen, ob die Grünen tatsächlich in die Mitte gerückt sind. So kassierte die Parteiführung bei der Abstimmung über die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen eine Niederlage. Und in der Frage, ob die Betreuung in Kindergärten und Schulen kostenfrei sein soll, stimmten die Delegierten für die Gebührenfreiheit – und damit gegen die Parteiführung. 

Nicht ohne Grund kommen denn auch wohlmeinende Medien wie „Die Zeit“ oder die „taz“ in ihren Kommentaren zu Erkenntnissen wie: „Wer allerdings glaubt, die Partei sei nicht mehr links, irrt“ oder: „Unter Baerbock und Habeck sind die Grünen sozial- und wirtschaftspolitisch nach links gerückt.“ Spätestens hier sollten diejenigen Parteien, die traditionell für sich das Etikett der Bürgerlichkeit in Anspruch nehmen, ins Stutzen kommen und sich fragen, ob die Grünen für künftige Koalitionen der richtige Partner sind. 

Das Urproblem der Grünen bleibt auch mit ihrem neuen Grundsatzprogramm, dass ihre Anliegen vor allem eines sind – kostspielig. Seit den Tagen des Beschlusses, dass ein Liter Benzin fünf Mark kosten solle, gilt, dass man sich grüne Politik leisten können muss. Öko-Strom, Bio- und Fair-Trade-Produkte sowie Elektro-Autos zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie teurer sind als herkömmliche Vergleichsartikel. Und so wird der grüne Umbau der Gesellschaft fast immer mit den Erträgen derjenigen Wirtschaftsformen gezahlt, die man eigentlich überwinden will. 

Doch was, wenn wir uns diese Politik schon bald nicht mehr leisten können? Niemand weiß, wo die Volkswirtschaft und die öffentlichen Haushalte stehen werden, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist. Was ist, wenn die Farbe der Zeit nicht grün ist, sondern grau – das Grau einer bleiernen Zeit der Unsicherheit? Für diesen Fall haben die Grünen, Stand heute, nichts zu bieten.