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27.11.20 / Kaiserbrief / Vor 150 Jahren griff Ludwig II. zur Feder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48 vom 27. November 2020

Kaiserbrief
Vor 150 Jahren griff Ludwig II. zur Feder
Manuel Ruoff

Nachdem die kleindeutsche Lösung der deutschen Frage durch den Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund realisiert war, sollte das Einigungswerk buchstäblich durch eine Kaiserkrone gekrönt werden. Preußens Ministerpräsident Otto von Bismarck, der um den durch die Romantik mit ihrer Mittelalterverklärung noch verstärkten Nimbus von Kaiser und Reich in der deutschen Nation wusste, sprach von „dem formalen Abschluss unsrer nationalen Einigung“. 

Das warf die Frage auf nach der Legitimation des zu schaffenden kleindeutschen Kaisertums. Eine Kaiserkrone aus der Hand des Parlaments als Volksvertretung hatte bereits König Friedrich Wilhelm IV. 1849 abgelehnt. Friedrich Wilhelms Bruder und Nachfolger Wilhelm I. und dessen Regierungschef dachten da nicht anders. Wen er stattdessen für legitimiert hielt, dem Preußenkönig die deutsche Kaiserkrone anzutragen, machte Bismarck in einem Schreiben an den bayerischen König Ludwig II. vom 27. November 1870 deutlich: „Bezüglich der deutschen Kaiserfrage ist es nach meinem ehrfurchtsvollen Ermessen vor allem wichtig, dass deren Anregung von keiner anderen Seite wie von Eurer Majestät und namentlich nicht von der Volksvertretung zuerst ausgehe. Die Stellung würde gefälscht werden, wenn sie ihren Ursprung nicht in der freien und wohlerwogenen Initiative des mächtigsten der dem Bunde beitretenden Fürsten verdankte.“

Nun stand Bismarck vor der Frage, wie er Ludwig zu einer derartigen Initiative motivieren konnte. Der Bayernkönig brauchte Geld für den Bau seiner Schlösser, und der preußische Ministerpräsident verfügte über den sogenannten Reptilienfonds. Preußen hatte nach dem gewonnenen Deutschen Krieg von 1866 nicht nur Hannover annektiert, sondern auch das Privatvermögen des Herrscherhauses beschlagnahmt. Auf dieses Welfenvermögen selbst hatte Bismarck zwar keinen Zugriff, wohl aber auf dessen Erträge. Und die reichten, dass Ludwig in dem von Bismarck am 27. November 1870 aufgesetzten, von ihm selbst am 30. November unterzeichneten und am 3. Dezember von Wilhelm empfangenen sogenannten Kaiserbrief dem preußischen König den Kaisertitel antrug – anders als 1849 die Kaiserdeputation der Paulskirche mit Erfolg.