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04.12.20 / Erinnerung / Flucht aus Görlitz, Ankunft in Friesland / Wolfgang Bittner schildert detailliert und liebevoll Kriegs- und Nachkriegserlebnisse in seinem Roman mit autobiografischen Zügen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49 vom 04. Dezember 2020

Erinnerung
Flucht aus Görlitz, Ankunft in Friesland
Wolfgang Bittner schildert detailliert und liebevoll Kriegs- und Nachkriegserlebnisse in seinem Roman mit autobiografischen Zügen
Dagmar Jestrzemski

Im ersten Abschnitt seines Romans „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen: Ein deutsches Lebensbild“ beschreibt der bekannte Roman- und Sachbuchautor Wolfgang Bittner liebevoll und detailliert das Leben einer Familie in gutbürgerlichen Verhältnissen im oberschlesischen Gleiwitz [Gliwice], beginnend 1941, vor dem Hintergrund des anfangs noch fernen Krieges. 

Die häufig eingeblendeten Nachrichten über das Kriegsgeschehen nutzt Bittner, um die unterschiedliche Einstellung der zahlreichen Familienmitglieder, teils mit deutsch-polnischen Wurzeln, zu Hitler und dem Nationalsozialismus herauszustellen. Gleich einem Augenzeugen berichtet er von der Besetzung der Stadt durch die sowjetische Armee Ende Januar 1945, über Plünderung, Vergewaltigung, die Verschleppung des Großvaters, die Vertreibung der jungen Mutter mit ihrem vierjährigen Sohn und ihrer Schwester mit Sohn. 

Das Besondere: Der 1941 geborene Autor selbst ist der kleine Sohn, dessen Name nicht genannt wird (er ist „das Kind“, später „der Junge“), und auch die Handlung hat autobiografische Bezüge. Mutter und Sohn gelangen Anfang 1946 in einen abgelegenen Winkel Ostfrieslands, wohin es den Vater nach seiner Kriegsverwundung verschlagen hat. Wenig ereignisreich sind die folgenden Jahre. Bittner schildert in epischer Breite das mühsame, aus Sicht der Mutter trostlose Dasein der kleinen Familie in einer Barackensiedlung am Rand der kleinen Stadt. Einziger Lichtblick ist für sie und andere bildungshungrige Barackenbewohner ihr „Salon“, eine offene Gesprächsrunde, die einmal in der Woche in ihrer Wohnküche stattfindet. 

Diesen Erzählraum nutzt der Autor, um seine amerikakritische Position zu konkretisieren. Der Junge erkundet die Natur und findet einen Freund, er fühlt sich geborgen in seiner kleinen Welt ohne Krieg. Ein außergewöhnliches, auch für Jugendliche sehr empfehlenswertes Buch. 

Wolfgang Bittner: „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen. Ein deutsches Lebensbild“, Verlag zeitgeist Print & Online, 2. Auflage, Höhr-Grenzhausen 2019, gebunden, 351 Seiten, 21,90 Euro