20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.12.20 / Rundfunkgebühren / Wenn der Schwanz mit dem Hund wackeln will / In Sachsen-Anhalts Kenia-Koalition haben SPD und Grüne vergeblich versucht, der CDU ein Abweichen vom Koalitionsvertrag aufzuzwingen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50 vom 11. Dezember 2020

Rundfunkgebühren
Wenn der Schwanz mit dem Hund wackeln will
In Sachsen-Anhalts Kenia-Koalition haben SPD und Grüne vergeblich versucht, der CDU ein Abweichen vom Koalitionsvertrag aufzuzwingen
Hermann Müller

Deutschlandweit erstmalig starteten CDU, SPD und Grüne im Frühjahr 2016 in Sachsen-Anhalt eine sogenannte Kenia-Koalition. Inzwischen zeigt sich, dass die Christdemokraten in Sachsen-Anhalt einen hohen Preis dafür zahlen, mit SPD und Grünen die AfD vom Mitregieren abzuhalten. Die Grünen, die 2016 nur knapp den Einzug in den Landtag schafften, und die SPD, die mit Mühe ein Wahlergebnis im einstelligen Prozentbereich verhinderte, treiben nun die CDU als stärkste Landtagsfraktion vor sich her.

 Wenige Monate vor der Landtagswahl läuft ein Versuch der beiden kleinen Juniorpartner, der stärksten Landtagsfraktion in der Frage der Rundfunkgebühren ihren Willen aufzuzwingen. Der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der CDU vor, diese „bereitet wenige Monate nach der Schande von Thüringen nun in Sachsen-Anhalt die nächste Kooperation mit der AfD vor“. Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, sieht die Union vor einer Richtungsentscheidung. Sinn und Aufgabe der Kenia-Koalition sei es bei ihrer Bildung gewesen, „die Kräfte der CDU, die nicht mit der AfD kooperieren wollen, in der Mitte der Gesellschaft zu halten“. 

Regionale Besonderheiten

Markus Kurze, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalts, stellte währenddessen klar, dass es Grüne und SPD sind, die sich nicht an den Koalitionsvertrag halten wollten. Die drei Parteien haben nämlich zu Beginn der Legislatur als Ziel eine „Beitragsstabilität“ bei den Rundfunkgebühren vereinbart. 

Ebenso hatte Schwarz-Rot-Grün in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass eine „nachhaltige und sparsame Haushaltsführung bei den Rundfunkanstalten erforderlich“ sei. Allgemein übliche Geschäftsgrundlage der Koalition ist zudem, sich bei unterschiedlichen Positionen in Abstimmungen zu enthalten. Als Ministerpräsident Reiner Haseloff den Staatsvertrag zur Gebührenerhöhung unterschrieb, wurde zudem eine Protokollnotiz angefügt, der zufolge es im Landtag keine Mehrheit dafür gebe. 

Der Kontrakurs von SPD und Grünen innerhalb der Koalition erhielt im November noch zusätzliche Brisanz. Bis dahin hatte nämlich neben CDU und AfD auch die Linkspartei eine Erhöhung abgelehnt. Mit dem Umschwenken der Linken war der Boden für Vorwürfe bereitet, die Union sei es, die Positionen der AfD vertrete und so den Weiterbestand der Koalition gefährde. 

Bei der Heftigkeit der Vorwürfe von Bundespolitikern gegen die CDU in Sachsen-Anhalt spielen auch regionale Besonderheiten eine Rolle. Zum einen war Sachsen-Anhalt schon mehrmals ein politisches Zukunftslabor, in dem bundesweite Entwicklungen vorweggenommen wurden. Im Jahr 1994 ließ sich in Magdeburg erstmals eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen durch die damalige PDS tolerieren. Vor vier Jahren war Sachsen-Anhalt wiederum mit der ersten schwarz-rot-grünen Koalition Vorreiter. Vor diesem Hintergrund ist durchaus vorstellbar, dass in dem mitteldeutschen Bundesland auch eines Tages erstmals ein schwarz-blaues Koalitionsmodell Wirklichkeit wird. 

Landtagswahlen am 6. Juni 2021

Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne, der an der Universität Halle-Wittenberg lehrt, wies in diesem Zusammenhang auf eine generell größere Distanz zwischen Grünen und Christdemokraten in den östlichen Bundesländern hin: „Wenn man einen CDU-Politiker nimmt und ihn an einen Stammtisch setzt, dann würde er sich wahrscheinlich eher mit jemandem von der AfD verstehen als mit einem Grünen.“ Für diese Einschätzung liefert gerade Sachsen-Anhalt reichlich Anschauungsmaterial. 

Nur wenige Monate nach dem Start der Koalition im Jahr 2016 krachte es bereits, als die Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann bei der Wahl zur Parlamentarischen Kontrollkommission im Landtag scheiterte. Allgemein wurde vermutet, dass in der geheimen Abstimmung mehrere CDU-Abgeordnete der Grünen ihre Stimmen verweigert hatten. 

Der AfD-Kandidat Volker Olenicak wurde wiederum mit 48 Stimmen in das Gremium gewählt, obwohl seine Fraktion nur 25 Parlamentarier umfasste. Auch hier stand schnell der Verdacht im Raum, die zusätzlichen Stimmen seien von der CDU gekommen. Im August 2017 beschloss der Landtag in Magdeburg auf Antrag der AfD-Fraktion die Bildung einer Enquete-Kommission zur Untersuchung des Linksextremismus in Sachsen-Anhalt. Neben der AfD-Fraktion stimmten Teile der CDU-Fraktion für den Antrag. Vergangenes Jahr veröffentlichten obendrein die CDU-Vizefraktionschefs Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer eine Denkschrift, in der es hieß, die Wähler von CDU und AfD hätten ähnliche Ziele. 

Am Dienstag dieser Woche verkündete Ministerpräsident Haseloff schließlich, dass seine CDU-Fraktion bei der Ablehnung der Rundfunkbeitrags-Erhöhung bleiben werde.