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11.12.20 / OECD / Der „Klub der Reichen“ / Vor 60 Jahren gründeten 20 Staaten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50 vom 11. Dezember 2020

OECD
Der „Klub der Reichen“
Vor 60 Jahren gründeten 20 Staaten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Wolfgang Kaufmann

Für das vom US-amerikanischen Außenminister George C. Marshall 1947 präsentierte European Recovery Program (ERP) zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg wünschten die USA auf europäischer Seite einen Ansprechpartner und eine engere ökonomische Kooperation. Vor diesem Hintergrund richteten die ERP interessierten europäischen Staaten einen Ausschuss ein, der seinerseits die Schaffung eines formellen ständigen Organs empfahl. Dieser Empfehlung folgend schlossen die 15 europäischen Länder Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und Schweiz sowie die Türkei 1948 ein Übereinkommen zur Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Organisation for European Economic Co-operation; OEEC).

Zur Stärkung ihres weltweiten ökonomischen Einflusses betrieben die Vereinigten Staaten dann die Umwandlung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit in eine Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) als Nachfolgeorganisation. Das entsprechende Gründungsabkommen wurde vor 60 Jahren, am 14. Dezember 1960 unterzeichnet und trat am 30. September 1961 in Kraft.

Eine Spätfolge des Marshallplans

Zu den 20 Gründungsmitgliedern gehörten nun neben den 16 OEEC-Gründungsmitgliedern auch die Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Kanada und die USA. Nicht nur, dass das Aufgabenspektrum sich nicht mehr auf die Zusammenarbeit beschränkte, sondern nun auch die Entwicklung mit einschloss, es fand sich auch das Wort „europäisch“ nicht mehr im Namen. Außereuropäische Staaten durften sich damit angesprochen fühlen. Nachträglich zu den größtenteils europäischen Gründerstaaten hinzu stießen 1964 Japan, 1969 Finnland, 1971 Australien, 1973 Neuseeland, 1994 Mexiko, 1995 die Tschechei, 1996 Polen, Südkorea und Ungarn, 2000 die Slowakei, 2010 Chile, Estland, Israel und Slowenien, 2016 Lettland, 2018 Litauen sowie dieses Jahr Kolumbien. Damit gehören der Organisation derzeit 37 Staaten an. Es handelt sich vornehmlich um westlich geprägte Industriestaaten, und so ist denn auch schon einmal von einem exklusiven „Klub der Reichen“ die Rede.

Heute verfolgt die OECD vor allem das Ziel, in ihren Mitgliedstaaten die Wirtschaftsentwicklung zu optimieren, um auf diese Weise einen hohen Beschäftigungsgrad und wachsenden Lebensstandard zu erreichen. Sie versucht aber auch, ökonomische Fortschritte in den Entwicklungsländern herbeizuführen und den Welthandel auszuweiten. Besonderes Augenmerk schenkt die OECD den Bildungs-, Gesundheits-, Altersversorgungs- und Entlohnungssystemen sowie der Entwicklungszusammenarbeit mit ärmeren Nichtmitgliedern. Dazu kommen die Bekämpfung von Korruption, die Integration von Immigranten in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft, die Bewältigung von Umweltproblemen, die Anpassung der Steuersysteme an die Bedingungen der globalisierten Wirtschaft, die Schaffung einheitlicher Standards bei der Unternehmensführung, der Bürokratieabbau und die Förderung technologischer Innovationen.

Verherrlichung der Migration

Spektakuläre Erfolge blieben dabei zumindest bislang aus. Zur Relativierung dieser Kritik ist auf die geringen Kompetenzen der OECD im Vergleich zu anderen inter- oder supranationalen Organisationen wie der Europäischen Union zu verweisen. Ihre Beschlüsse und Empfehlungen unterliegen dem Konsensprinzip, und wenn ein Staat diese ignoriert, ist die OECD machtlos, besitzt keine Sanktionsmöglichkeiten. Die Beschwerdeverfahren im Falle von Menschenrechtsverletzungen sind nur sehr unzureichend geregelt und zeitigen kaum nennenswerte Effekte. Die Bundesrepublik bildet dabei keine löbliche Ausnahme. Auch dort bleiben wichtige OECD-Leitsätze unberücksichtigt, bei denen es beispielsweise um die ökologische und soziale Verantwortung von Unternehmen geht. 

Doch nicht jede Kritik an der OECD lässt sich mit dem Hinweis auf ihre institutionelle Schwäche relativieren. Oft wird bemängelt, wie die OECD mit den Ergebnissen der von ihr initiierten PISA-Studien verfährt. Sie versuche unter Verweis auf die Daten aus dem Programm zur internationalen Schülerbewertung die Schulpolitik der Teilnehmerstaaten über unsinnige Zielvorgaben zu beeinflussen, beispielsweise durch die Vorgabe einer unsinnig hohen Abiturientenquote. Dergestalt lautet unter anderem der Vorwurf des renommierten Experten Eckhard Klieme, früher Direktor des Leibniz-Institutes für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main.

Und in der aktuellen Corona-Krise macht die OECD durch fragwürdige Aussagen auf sich aufmerksam. So forderte ihr Generalsekretär José Ángel Gurría kürzlich, dass die Migration und die Integration von Immigranten auch unter den Bedingungen der Pandemie keinesfalls zu kurz kommen dürften, mit der Begründung, dass Einwanderung die wirtschaftliche Erholung fördere.