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11.12.20 / Hinterpommern / Die Buchheidebahn bei Stettin / Eine Kleinbahn mit dem Spitznamen Klünner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50 vom 11. Dezember 2020

Hinterpommern
Die Buchheidebahn bei Stettin
Eine Kleinbahn mit dem Spitznamen Klünner
Brigitte Klesczewski

Erzählt werden soll hier ausführlich von der Buchheidebahn, unserem Klünner. Denn, wenn eine Kleinbahn einen Spitznamen trägt, wissen diejenigen, die mit ihr fuhren, viele Geschichten über sie zu erzählen. Sie bleibt damit unvergessen. Auch heute tragen Kleinbahnen noch Spitznamen. Bekannt z. B. ist vielen Urlaubern der „Rasende Roland“, eine Kleinbahn auf Deutschlands Sonneninsel Rügen. In Stettin entstand 1919 die Vereinigung der mittelpommerschen Kleinbahnen, der die Greifenhagener Kreisbahnen AG und die Randower Kleinbahn angehörten.

Nach der Inflation im Gefolge des 1. Weltkrieges erhielten die Kleinbahnen eine Konkurrenz durch Busse im Straßenverkehr, die aber wiederum Anfang des 2. Weltkrieges, um Benzin zu sparen, außer Betrieb gingen. Bis kurz vor Kriegsende 1945 beförderte die Buchheidebahn Güter und Fahrgäste, darunter Berufstätige, Schüler nach Stettin und Ausflügler von Stettin. Nach dem Krieg verschwanden die meisten Kleinbahnen. Ihre Schienen wurden demontiert. Erhalten jedoch blieben ihre Trassen sowie kümmerliche Reste ihrer Stationsbahnhöfe.

Die Reichsbahn unterhielt seit 1846 in Finkenwalde an der Strecke Stettin - Stargard einen Bahnhof, von dem aus laut einer Übersicht auf einer Buchheidekarte täglich 72 Züge in Richtung Stettin bzw. Stargard abgefertigt wurden. Dazu kam die Buchheidebahn Finkenwalde - Neumark, die täglich in 24 Zügen ihre Fahrgäste aus den oder nach den Buchheideorten Hökendorf, Königsweg, Hohenkrug, Mühlenbeck, Kolbatz und Neumark brachten. Von Finkenwalde bis nach Neumark hatte die Kleinbahn etwa 30 km zu bewältigen. Der aus Altdamm stammende Richard Quade, er gehörte dem Pommerschen Künstlerbund an, hat den Finkenwalder Bahnhof auf Hartfaser in Öl gemalt. Die Buchheideorte an der Strecke waren nicht nur beliebte Wohnorte, sondern auch Ausgangspunkte von Stettiner Ausflüglern in den 18 km langen, südöstlich von Stettin gelegenen Höhenzug der Buchheide.

Finkenwalde war ein Villenvorort von Stettin. Er entstand zu Friedrich des Großen Zeiten als Siedlung am Rande der Buchheide. Zahlreiche Ausflugslokale befanden sich in seiner Umgebung. Beliebt war die Wanderung zur Finkenwalder Höhe. Richard Quade hat den Weg in Öl auf Leinwand gemalt. 

Hökendorf besaß sogar zwei Haltestellen, Brunner Straße und Hökendorf. Dieser Ort wurde urkundlich 1274 erwähnt, als der Ritter Jacob von Staffelde die deutsche Ansiedlung an das Kloster Kolbatz verkaufte. Ausflügler bewunderten in diesem Ort die uralten Eichen mit 6 m Umfang am Zitelmannschen Waldgut, und wanderten weiter zur Försterei und zum 147 m hohen Blocksberg.

Nach Hökendorf folgte Königsweg, mitten im Wald gelegen, mit einem Kindererholungsheim und dem Ausgangspunkt des Königsweges durch die Buchheide in Richtung Kolow. In Hohenkrug stiegen die Schüler und Berufstätigen aus Buchholz und Henningsholm in die Kleinbahn. Mühlenbeck lud zur Sommerfrische ein. Neben vielen Gaststätten zeigten sich Ziegeleien und Sägewerke. Kolbatz war ein ersehntes Ziel vieler Ausflügler, die sich für die Geschichte Hinterpommerns interessierten. Das Kloster im Dorf wurde 1173 von den Zisterzienser Mönchen gegründet. Weite Strecken der Buchheide gehörten dem Kloster. Von ihm aus wurde die Besiedlung des Weizackers durchgeführt. Am Südostende des Höhenzuges der Buchheide lag das Endziel Neumark. Der Ort besaß Marktgerechtigkeit und wurde im 15. Jahrhundert als Städtchen bezeichnet. 

Es verging kein Treffen der Hökendorfer, sie erfolgten in der Zeit von 1979 – 2017, ohne dass dieses Bähnchen, Klünner genannt, erwähnt wurde. Auch die Schaffner waren als fahrgastfreundlich und umsichtig in Erinnerung geblieben. Es wurde sogar behauptet, dass sie den Zug warten ließen, wenn sie einen etwas verspäteten Fahrgast herangaloppieren sahen.

Der Hökendorfer Bruno Zastrow hat die Lokomotive und das Buchheidebähnchen liebevoll gezeichnet. Auf einem der beiden Bilder wurde die Tenderlokomotive BR 89 aus der Bauart Ch2 dargestellt, die über drei angetriebene Achsen verfügte. Sie besaß zwei Zylinder und ihre Dampfart war Heißdampf. Die erste Lok dieses Typs wurde im Jahre 1881 von der Firma Henschel & Sohn in Kassel gebaut. Ihre Hauptmerkmale sind der lange Schornstein und die 6 Räder. Diese Beschreibung stammt von Ernst-Jürgen Köhler, der bis zum Jahr 2000 im Braunschweiger Siemenswerk für Eisenbahn-Signaltechnik tätig war. Von der zweiten Lokomotive liegt keine mir bekannte Beschreibung vor. 

Den Ausdruck Buchheidebahn kannten die Anwohner dieser Kleinbahnstrecke nur vom Hörensagen. Sie blieb für sie die Bimmelbahn mit all den Schwächen einer Kleinbahn. In den schneereichen Wintern von 1941 – 1945 habe ich es nur zweimal erlebt, dass sie es durch die Schneewehen auf ihren Schienen nicht schaffte, nach Hökendorf durchzukommen.

„Blumen pflücken während der Fahrt verboten“ war auch so ein Spruch unter den Schülern. Fast jeder der Jugendlichen versuchte es, von der fahrenden Bahn abzuspringen und wieder aufzusteigen, was aber gar nicht so einfach war. 

Ehrensache war es auch unter Schülern in Hökendorf, vor dem welldachumhüllten, kümmerlichen „Stationsgebäude“ schon an der Bahnhofsstraße abzuspringen, was die Schaffner gar nicht gerne sahen. Ab 1943 fuhren einige Schüler aus Hökendorf, die nicht mit in die Kinderlandverschickung gegangen waren, mit der 6:00 Uhr Kleinbahn über Finkenwalde nach Stargard zur Oberschule. Der anschließende Zug, mit dem auch viele kriegsdienstverpflichtete Frauen zur Arbeit bei der ausgelagerten Fabrik von Siemens & Halske an den Madüsee bei Augustwalde fuhren, kam erst um 6:45 Uhr. Darum blieben diese Fahrgäste im warmen Zug, der pünktlich für die Rückfahrt nach Neumark um 6.40 Uhr zu rangieren begann. Dadurch wurde nie das Umsteigen verpasst. Diese Kleinbahn brachte Ende Februar 1945 Flüchtlinge aus Hökendorf bis auf die Insel Rügen.

Im Sommer 1945 entdeckte ich am Bahnhof Königsweg einen zerschossenen Tiger Panzer. Hier müssen noch heftige Abwehrkämpfe stattgefunden haben.

Die Schienen der Kleinbahn wurden 1945 auf Befehl der Russen, meistens von dazu abkommandierten deutschen Frauen, demontiert. Geblieben ist bis heute die Trasse der Buchheidebahn. Auf ihr, so erzählte Brigitte Kipper, ehemalige Chorleiterin des Sedina Chores der Deutschen Minderheit in Stettin, hätte sie den Weg von Hökendorf aus nach Königsweg in den 1950er Jahren gefunden. Während des Krieges hatte sie in dem Erholungsheim für Kinder ihren Kriegsdienst ableisten müssen.

Der Bahnhof von Finkenwalde existiert nicht mehr. Er liegt im heutigen Zdroje an der früheren Umgehungsbahn an der Brücke, die über die Hökendorfer Straße führt. Heute werden von Stettin [Szczecin] aus viele Orte an der Buchheide nur mit Bussen erreicht. 

Der Klünner, Zeichnung Bruno Zastrow